Poesie Truhe

 

 Wer in der Dichtkunst zu Hause ist, wäre ein Poet, also ein Künstler. Behaupten die einen. Andere wiederum machen daraus eine Wissenschaft und wollen belegen, dass innerhalb einer Kunst auch noch Unterteilungen und definierte Variationen nach bestimmten Kriterien erkannt und nur dadurch auch anerkannt werden können. Unsere ist eine tolerantere. Ein guter Handwerker, egal auf welchem Gebiet, leistet wertvolle Arbeit. Wenn er innerhalb seiner guten Werke über sich hinauswächst, avanciert er zum Künstler bis hin zum Genie. Spätestens da hat die Wissenschaft gar nichts mehr verloren, denn sie normt nur und engt ein, verhindert Virtuosität und Grandioses. 

Wir freuen uns deshalb, hier originelle und ausgesuchte Werke vorstellen zu dürfen.

 

Gute Unterhaltung!

 

 

 

 

 

 

Ausgesucht von Bernhard Horwatitsch

 

 

Andreas Gryphius …

… schrieb in weiser Voraussicht dieses Gedicht

bereits im 17. Jahrhundert, für alle diejenigen, die

glauben, sie und ihr einfältiges Getue wäre wichtig

auf dieser abfackelnden Welt!

 

 

„Du sihst/ wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.
Was dieser heute baut/ reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn/ wird eine Wiesen seyn/
Auff der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden.

Was itzund prächtig blüht/ sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vnd trotzt ist morgen Asch vnd Bein/
Nichts ist/ das ewig sey/ kein Ertz/ kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück vns an/ bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit/ der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles diß/ was wir vor köstlich achten/

Als schlechte Nichtigkeit/ als Schatten/ Staub vnd Wind;
Als eine Wiesen-Blum/ die man nicht wider find’t.
Noch wil was ewig ist/ kein einig Mensch betrachten!“

 

 

 

                                            * * *

 

 

 


 

Im Gedenken an Elsbeth Brömme – eine ganz besondere Frau


geschrieben
von Luca Millane Gerst

 Jedes Jahr zur Weihnachtszeit, wenn es draußen friert und schneit, wenn die Menschen lieber drinnen bleiben und die Kinder fleißig Wunschzettel schreiben, nehmen wir schon ganz gespannt unsere Texte in die Hand. Wir tun es immer – wir freuen uns schon – und greifen wie selbstverständlich zum Telefon. Wir wissen, ein Anruf würde dich nicht stören, denn du freust dich immer, von uns zu hören.

 

Wir singen für dich die schönsten Lieder – wir tun das alle Jahre wieder. Von „Gloria“ bis „Stille Nacht“ hat jedes Lied dir Freude gebracht. Der Klang deines Lachens erhellte den Raum wie ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum. Zu diesem Anruf musste uns keiner zwingen – es war wunderschön, für dich zu singen. Und du sprachst dann oft Gedichte und erzähltest die ein oder and're Geschichte.

 

Doch dieses Jahr rufen wir nicht an, weil wir wissen, dieses Jahr geht niemand ran. Wir vermissen dich wirklich sehr – der Abschied von dir fällt uns immer noch schwer. Du hattest deinen ganz eigenen Stil und das bedeutete uns so viel. Du bist sowohl Mama als auch Oma gewesen, hast Lieder gesungen und Geschichten gelesen, und als dann die ersten Urenkel kamen, hingen an jeder Wand Bilderrahmen.

 

Du warst eine Frau mit lila Haaren von stolzen 92 Jahren. Von Beruf Näherin, mit viel Talent und dazu noch sehr intelligent. Dein Gedächtnis war brillant – du warst eine Dame mit Verstand. Auch der Sport kam bei dir nicht zu kurz – obwohl es auch gab so manchen Sturz. Doch dein Ehrgeiz half dir auf die Beine – so machtest du Schritte, mal große, mal kleine.

 

Und eines hat uns deine Lebensweise stets gelehrt – am Hinfallen ist nichts verkehrt. Doch falsch wäre es, aufzugeben – denn sonst verpasst man das Schöne am Leben. Du warst entschlossen und immer bereit – erschien der Weg auch noch so weit. Du hasstest Lügen, Kummer und Streit und liebtest Frieden und Heiterkeit. Deine Pläne hast du stets umgesetzt und wurdest dafür hoch geschätzt.

 

Früher bist du gern in den Bergen gewesen und hast am Feuer Geschichten gelesen. Du warst immer fleißig und beseelt – hast die Sonne geliebt und die Sterne gezählt. Hast den Regenbogen bestaunt, mit all seinen Farben und Gott gedankt für diese Gaben. Auch im Alter hast du ein Zuhause gefunden – dort verbrachtest du täglich schöne Stunden. Ins Leben hast du dich eingebracht – jeder hat gern mit dir gelacht.

 

Du hattest einen Hund, sein Name war Bobby, ihm erzähltest du alles, ob Arbeit, ob Hobby. Du hast deinen Kummer mit ihm geteilt und so manche deiner Wunden geheilt. Auch an Humor hat es dir nicht gefehlt – du hast immer den Weg des Lichts gewählt. Ehrlichkeit war dir sehr wichtig und du handeltest stets moralisch richtig. Und ist doch mal etwas schief gegangen, hast du von vorne angefangen.

 

Nun sitzen wir hier zur Weihnachtszeit und sehen zu, wie es draußen schneit. Wir schauen auf deine alten Sachen und denken an dich und dein schönes Lachen. Wir erinnern uns an deine Worte und vergessen nie deine Lieblingstorte. Du hättest nicht gewollt, dass wir Tränen vergießen, sondern dass wir unser Leben genießen. Und obwohl uns die Erinnerungen sehr schmerzen, bleibt das Echo deines Lachens in unseren Herzen.

 

* * * 

 

 


DIE ZWEI SEIDENDAMEN

 

Urheberrecht & Copyright © by Finn Lorenzen

 

 

Einst haben sich zwei junge Damen

Für ihren Dienst herausgeputzt

Und harrten derer, die da kamen.

Da wurd‘ die Zeit zum Schwatz genutzt.

Wie’s sich ergab, haben sich beide

Ein feines Leben ausgemalt.

So nahmen sie im Tausche Seide,

Da niemand mehr mit Geld bezahlt.

 

„Nach mehr kann eine Frau nicht streben“,

Verriet die Erste allzu laut,

Der Stoff schmückt nicht nur Leib und Leben

Er schmeichelt auch noch meiner Haut.

Solang‘ die Herren Seide bringen,

Bin ich zufrieden und adrett

Und träume kaum von and’ren Dingen.

Für wahr, mein Leben ist komplett.“

 

Da sprach die Zweite auch nicht leise:

„Wer meine Liebe kaufen mag,

Der zahlt mir zweimal deine Preise,

Und dreimal jeden Donnerstag.

 

Daheim türmt sich ein Seidenhaufen.

Was ich nicht trage, kommt dorthin.

Damit werd‘ ich was Schönes kaufen,

Wenn ich erst recht vermögend bin.“

 

Da hörte man die Erste geifern:
„Was, zweimal für die gleiche Pflicht?!

Das klingt nach nimmersattem Eifern!

Die Herren mögen sowas nicht!“

„Und dennoch kommt man, um zu ordern“,

Verriet die Zweite allzu gleich,

„Ich war nur dreist genug, zu fordern.

Jetzt bist du schön, doch ich bald reich. 

 

Der Mensch braucht Größen, um zu handeln,

Und ist’s nicht Geld, dann ist es Stoff.

Er kommt, um mit mir anzubandeln

Und löhnt so viel, wie ich’s erhoff.“

Da kam ein Mann mit Spaß am Leben

Und gab der Zweiten seufzend Recht.

Auch ohne Geld lernt Gier zu weben,

 

Und lernt es dabei gar nicht schlecht. 

 

 

                      Finn Lorenzen

 

 

 

SEIDENBLÜTE