TASCHENBUCH
GEISTERSTUNDE
Das Buch ist im Buch-Shop von epubli verfügbar.
Format: Softcover
Bindung: Taschenbuch
Seitenzahl: 212 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-757561-63-5
Verkaufspreis: 11,99 €
Die Leser von pierremontagnard.com haben entschieden: Aus der Ausschreibung zum Thema Halloween ist das Buch GEISTERSTUNDE entstanden, das sich mit den Abgründen des Lebens befasst.
Es erwarten Sie 38 Geschichten, so unterschiedlich wie die Autor*innen, die sie geschrieben haben. Geschichten, die überraschen, berühren, fesseln … und nur eines gemeinsam haben: Sie werden Sie gut unterhalten.
Geister –
Stunde
Stimmen Sie sich ein mit einer von drei Leseproben. Zunächst diejenige aus der Geschichte von Herbert Glaser …
Licht aus!
… Außer Atem, nur mit T-Shirt und Slip bekleidet, lehnte sich die junge Frau zitternd gegen einen Baum. Ihre Beine waren übersät mit Blutergüssen und kleinen Schnittwunden. Vollmondlicht fiel durch das Herbstlaub und gab der Szenerie einen sepiafarbenen Anstrich. Etwas knackte hinter ihr im Unterholz. Sie stieß sich ab und stolperte in die entgegengesetzte Richtung, einem schwachen Leuchten entgegen, das sie in der Ferne zu erkennen glaubte.
Sie erreichte einen Weg und humpelte mit abgehackten Schritten auf ein Haus zu, aus dessen Fenstern flackerndes Licht drang.
Mit letzter Kraft erklomm sie die Stufen zum Eingang und wollte gerade an die große Holztür hämmern, als diese sich wie von Geisterhand öffnete. Das knarrende Geräusch der beiden Türflügel jagte ihr kalte Schauer den Rücken hinunter. Blutige Fußabdrücke hinterlassend betrat sie die Villa, in der unzählige brennende Kerzen Schatten an den Wänden tanzen ließen. An einer Seite hing ein Spiegel mit einem Sprung, der sich vielfach verzweigte. Die Frau erschrak über ihr Abbild darin. Quer durch ihr Gesicht verliefen Risse. Ein zerfetztes Bild, wie falsch zusammengesetzt. Langsam drehte sie sich um. Ihre aufgerissenen Augen starrten in die vom Feuerschein beleuchtete, satyrhafte Fratze ihres Verfolgers. Sein erhobener Arm mit der Klinge schnellte herunter. Rote Spritzer klatschten wie nach einem machtvoll blutigen Niesen auf Boden und Wände. Das wehrlose Opfer schrie in letzter Verzweiflung auf, der Arm hob sich erneut. Das palastartige Echo des Schreis wurde jäh unterbrochen …
… nachdem Tim einen Knopf auf der Fernbedienung gedrückt hatte und der Player die DVD ausspuckte wie ein ungenießbares Gericht. Er legte die Scheibe in die Hülle zurück und betrachtete stirnrunzelnd das Cover des Horrorstreifens. Dann warf er den Film in den Mülleimer. In nächster Zeit werde ich mein Archiv ausmisten, dachte er bei sich, da ist erschreckend viel Schrott dabei. Ungeduldig sah er auf seine Armbanduhr, trat auf die Terrasse und genoss das herdfeuerrote Abend glühen über dem Horizont. Axthiebe aus der Ferne hallten zu ihm herüber. Bestimmt hackte jemand Holz, um es sich vor dem Ofen gemütlich zu machen.
Alles war vorbereitet – eigentlich. Aber aus irgendeinem Grund lief der Tag nicht so, wie Tim es sich vorgestellt hatte. Er und Ina führten jedes Jahr am 31. Oktober ein Ritual aus. Nach dem Abendessen kuschelten sie sich auf einem herrlich bequemen Sofa neben dem knisternden Kamin zusammen, sahen sich einen Horrorfilm an und begingen so das Halloween-Fest.
Soweit der Plan. Zu Tims Verdruss hielt sich Ina jedoch seit fast zwei Stunden in der Küche auf, allerdings nicht, um das Essen zuzubereiten. Nein, sie telefonierte, und ein Ende des Gesprächs war nicht in Sicht.
Auf eine Auseinandersetzung gefasst, öffnete Tim die Tür und spähte hinein. Seine Frau saß auf einem der Küchenstühle und hatte die Knie wie ein Rhesus-Äffchen bis zur Brust hochgezogen. Ihre erdnussförmigen Zehen krümmten sich um den Rand des Sitzes und bewegten sich unabhängig voneinander wie die Tasten eines elektrisch gesteuerten Klaviers. Wie er das liebte! In ihrem engen, liebesapfelroten Top und den ausgefransten Jeans sah sie verflucht sexy aus. In Tim wuchs die Hoffnung, der Abend könnte doch noch den gewünschten Verlauf nehmen. Fragend hob er die Arme und deutete auf die Uhr an der Wand. Mit dem Hörer des drahtlosen Telefons am Ohr verdrehte sie ihre großartigen Augen.
„Ja, gleich.“
„Mit wem telefonierst du eigentlich?“
„Uwe“, gab Ina einsilbig zurück und versank wieder in ihr Gespräch.
Bei jedem anderen hätte Tim eifersüchtig reagiert, jedoch nicht bei Uwe, der schon einige Zeit in einer glücklichen Beziehung lebte … mit einem Mann. Warum musste sie aber ausgerechnet an ihrem gemeinsamen Abend derart lange mit ihm telefonieren? Er schlenderte wieder ins Wohnzimmer und stellte sich vor das große Fenster. An der Innenseite der Scheibe hinterließen Tränen aus Kondenswasser streifige Spuren. Erneut hörte er eine Axt, die mit Wucht in Holz geschlagen wurde, nur näher als vorhin. Er versuchte, in der inzwischen totalen Dunkelheit etwas zu erkennen. Ein weiterer Laut, wie ein Gegenstand, der zu Boden fällt, drang an sein Ohr. Diesmal aber nicht von draußen, sondern aus der Küche.
„Schatz, ist bei dir alles in Ordnung?“
Keine Antwort. Mit ausladenden Schritten eilte er zur Küchentür, riss sie auf und sah … einen verlassenen Raum. Der Hocker leer, das Telefon am Boden. Tim hob es auf und horchte … nichts. Er drückte einige Tasten und hörte … nichts, die Leitung war tot.
„Ina!“, schrie er in einem Anflug von Panik und lauschte … nichts.
Noch nie hatte er eine so laute Stille gehört …
Die zweite Leseprobe stammt von Meira Rowan …
Grusel für eine Nacht
… Dieses Jahr war sie mit ihrer Freundin verabredet gewesen. Diese musste aber absagen, da ihr Hund krank geworden war. Ihr Hund! Na ja, dann ging Mira eben allein auf Streiftour. Verkleidet als Vampir-Braut, stach sie nicht gerade unter den anderen Gruselgestalten hervor, aber ihr blutrotes Kleid und die spitzen Eckzähne sahen wirklich gut aus, fand sie. Mit ihren vierzehn Jahren war sie schon fast zu alt für die Jagd nach Süßigkeiten – sagte ihr Bruder – aber da jedes Jahr auch Erwachsene in diesen Stunden kostümiert unterwegs waren, schenkte Mira dem Gerede kein Gehör.
Sie war noch nie allein an Halloween unterwegs gewesen, und ein bisschen fürchten tat sie sich dann doch, als sie in die Nacht hinaustrat und von überall her das Grunzen und Schnauben von unheilvollen Kreaturen zu hören war. Kinder kreischten, Gespenster schossen wie weiße Blitze unter den Bäumen entlang und verscheuchten die Ratten, die in der Innenstadt immer größere Schäden anrichteten.
Mit ihrem Beutel bewaffnet, machte Mira sich auf den Weg, reihte sich in den Strom der Zuckersüchtigen ein und sammelte einen Monatsvorrat an Süßkram ein. Alles war wie immer, und doch machte es dieses Jahr nicht so viel Spaß wie sonst. Vielleicht, weil ihre Freunde nicht dabei waren? Oder war sie doch schlichtweg zu alt hierfür geworden?
Nein, sagte Mira sich. Man war nie zu alt, um dem Alltag zu entfliehen. Sie würde diese Sache nur … interessanter gestalten müssen. Es war zu früh, um jetzt schon nach Hause zu gehen. Also versteckte sie ihren reichlich gefüllten Beutel in der Astgabel des hohen Baumes, auf dem sie früher das Klettern gelernt hatte, und betete, dass niemand ihre Beute stehlen würde. Dann ging sie über die große Kreuzung, obwohl sie ihren Eltern versprochen hatte, sich nicht zu weit von ihrem Haus zu entfernen.
Jenseits der Hauptstraße wurde die Beleuchtung schummriger. Die Laternen waren ausgeschaltet worden oder flackerten in unregelmäßigen Abständen. In diese Gegend traute Mira sich sonst nicht mal tagsüber, da hier die Sorte Menschen wohnte, mit denen sie sich nicht abgeben sollte – sagte ihre Mutter. Aber heute traute sich Mira, hier entlangzugehen. Sie wollte nicht mit ihnen reden, sondern nach dem Grusel suchen, den an Halloween alle so verzweifelt finden wollten. Vielleicht würde der Spaß zu ihr zurückkommen, wenn sie von ihrer alljährlichen Routine abwich.
Kaum war sie in die Dunkelheit getreten – in die richtige Dunkelheit, ohne Beleuchtung und ohne Taschenlampe, da sie die zu Hause vergessen hatte – bekam sie das Gefühl, verfolgt zu werden. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, ebenso wie ihre Schritte. Sollte sie doch umkehren, und, wie jedes Jahr, mit ihrem Bruder ihre Ausbeute inspizieren?
Ein Scheppern verscheuchte diesen rationalen Gedanken. Mira stolperte über eine Bodenwelle, die sie nicht sehen konnte, und fluchte leise, als sie sich den großen Zeh anstieß. Das Scheppern war verklungen. Es hatte sich angehört wie eine Mülltonne. Doch morgen sollte kein Müll abgeholt werden.
Mira ging weiter. Wenigstens bis zur nächsten Kreuzung wollte sie es schaffen, dann konnte sie morgen in der Schule angeben, wie mutig sie gewesen war. Ihren Freunden würde vor Schock der Atem stehen bleiben! Das wollte sie sich auf keinen Fall nehmen lassen.
Mit einem Grinsen auf den Lippen schaffte sie die nächsten zehn Meter. Fast alle Häuser lagen im Dunkeln. Entweder waren die Besitzer nicht da, oder sie hatten die Vorhänge zugezogen.
Ein Rascheln rechts von ihr.
Mira stockte, schaute sich um, sah aber nur das große Nichts vor ihren Augen. Der Mond war verhangen, und die wenigen Sterne waren wahrlich keine Hilfe.
Noch ein Rascheln, dieses Mal näher.
»Hallo?«, fragte sie ängstlich. Ihre Stimme bebte, obwohl sie das gar nicht wollte. Ihre Finger gruben sich in ihr Kleid.
Niemand antwortete.
»Das war nur der Wind«, murmelte Mira zu sich selbst und setzte ihren Weg fort. Der Wind war böig geworden in den letzten Stunden, und die Temperaturen waren so weit gesunken, dass ihre Finger langsam taub wurden.
Genau so, als würde ein Geist herumstreifen.
Mira ging kopfschüttelnd weiter und kniff die Augen zusammen, um ihrer regen Fantasie einen Riegel vorzuschieben. Die Kreuzung war nicht mehr weit, noch drei oder vier Häuser. Die Straßenlaterne wurde von einem Baum verdeckt, und das Licht warf lange, verzerrte Schatten auf die Vorgärten. Schatten, aus denen jederzeit ein Dämon hervorkriechen könnte …
Die dritte und letzte Leseprobe stammt von Eva Wolff …
Ein falscher Funke
… Gerade war sie dabei, wieder in die traumlose Dunkelheit hinüberzugleiten, als sie draußen ein Rascheln hörte. Einen Moment lang blieb sie ganz ruhig liegen. Ihr Atem stoppte – so fühlte es sich jedenfalls an. Das lähmende Gefühl der Angst, welches sie die letzte Woche begleitet hatte, breitete sich wieder in ihr aus. Ganz langsam kroch es durch ihren Körper, bis es ihren Verstand unwiderruflich infiziert hatte. Nochmal Rascheln, dann ein entferntes, kurzes Bollern. Jemand war an die Außenwand der Hütte gestoßen. Dann Stille. Dieser Jemand harrte jetzt aus, um die eigene Anwesenheit zu vertuschen.
Sie drehte sich langsam auf den Rücken. Ganz vorsichtig zog sie sich zum Bettrand vor und setze erst einen, dann den zweiten Fuß auf dem Dielenboden auf. Kein Knatschen. Langsam zur Zimmerwand mit dem Fenster. Noch nie war sie hier so angestrengt und bedacht gelaufen – im Gegenteil, ihr Vater hatte sich immer über ihr Trampeln beschwert, als sie noch klein war. – Immer noch kein Knatschen. Sie stand nun neben der Fensterscheibe. Die Vorhänge trennten außen und innen ab. Wenn sie den Kopf ganz nah an die Wand legen würde, könnte sie jedoch nach draußen schielen. Wenn sie das tun würde – würde sie ihn dann sehen?
Sie spürte das getäfelte Holz an ihrer linken Kopfseite. Die glatte Kälte war angenehm, fast schon beruhigend. Mit einem Auge konnte sie die Außenwelt beobachten. Lediglich der Mond spendete etwas Licht und beleuchtete die Vorderseite des Hauses. Die Veranda schien auf den ersten Blick leer zu sein, doch dann zeichnete sich neben der Eingangstür eine Silhouette ab, die ihr allzu gut bekannt war. Die kräftige Statur und die schulterlangen Haare, die sich mit dem Wind bewegten – das war unverkennbar er.
Sie hatte sich anfangs immer über sein Profil lustig gemacht, gemeint, er sähe aus wie irgendein Superheld, was er zuerst mit gespielter Leichtigkeit, dann mit zunehmendem ernst, dementierte. Später hatte sie es nicht mehr gewagt, sich lustig zu machen, waren seine wütenden Ausbrüche ihr gegenüber doch immer schlimmer geworden.
Aber da stand er nun, nach allem, was sie auf sich genommen hatte, um ihn nie wieder sehen zu müssen. Nachdem sie in die abgelegene Wildnis ihrer Kindheit geflüchtet war, um seinen Fängen zu entkommen.
Jetzt bewegte sich die Silhouette, kam langsam in ihre Richtung. Hatte er sie gesehen? Gehört? Ihr Herz schlug wie wild.
„Das kann einfach nicht sein“, flüsterte sie in die Dunkelheit des Schlafzimmers hinein.
In diesem Moment klatschte eine Hand gegen die Fensterscheibe. Das Glas vibrierte dumpf. S. sank das Herz in die Hose. Sie rutschte lautlos, mit dem Rücken zur Wand, auf den Boden herunter. Mehr musste sie nicht sehen, nicht hören.
Auf dem Fußboden angekommen, schossen ihr tausend Gedanken durch den Kopf. Er konnte nicht hier sein, nicht hereinkommen, das war einfach unmöglich. Weg, sie musste weg vom Fenster, vom Eingang.
So lautlos wie sie konnte, kroch sie Richtung Schlafzimmertür, am Sofa vorbei, ins Badezimmer. Im Kamin knackte es noch, so als wäre nichts passiert. Ein falscher Funke, und alles geht in Flammen auf, schoss es ihr wieder durch den Kopf. Alles war so gut gelaufen, als sie sich kennenlernten, das perfekte Paar. Er war so liebevoll, so verständnisvoll gewesen.
Im Badezimmer angekommen, kauerte sie sich in eine Ecke und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Ihr Blick fiel auf das Badezimmerfenster. Alles schien still. Der Wald lag so unberührt vor ihr wie noch vor einer halben Stunde, als die Welt noch – oder gerade wieder – in Ordnung war. Vielleicht hatte sie sich das Ganze nur eingebildet … es war spät … der Stress, die Angstzustände. Aber diese Silhouette, diese Hand an der Fensterscheibe. Sie hatte die Vibration gespürt. Und wie sie so auf dem Badezimmerboden saß, und das Fenster fixierte, blickte sie plötzlich in seine Augen …
Wir machen unsere geschätzten Leserinnen und Leser auf Folgendes aufmerksam:
Sämtliche Geschichten, auch wenn sie hier nur auszugsweise erscheinen, sind urheberrechtlich geschützt.
Die Zeichnungen stammen von Denise Friedrich. Sie unterliegen Lizenzrechten.
Im Taschenbuch sind keine Zeichnungen vorgestellt, weil diese unser Erstwerk zu sehr
verteuert hätten.
Bei all den erfolgreichen Buchautoren, Filmemachern, Musikern, Künstlern und Unternehmern, sind viele junge Menschen geneigt, ihnen nachzueifern. Sie versuchen, es ihnen gleichzutun und beginnen, das Erschaffene dritter zu kopieren. Das ist der erste Fehlschritt eines Newcomers. Er lässt außer Acht, dass gerade die Erfolgreichen, mit eigener Kreativität zu Werke gingen und deswegen erfolgreich wurden. Deshalb unser Aufruf: Gehe Deinen eigenen Weg, verwirkliche Deine Ideen und erschaffe Deine eigenen Werke.
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