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Beitrag 31

 

An der Schwelle zum Paradies

 

Am Freitag, dem 13. November 2150 wurde ich 20 Jahre alt und veröffentlichte das Tagebuch meines zweiten Lebens. Dass ich keinerlei Erinnerungen an mein Erstes hatte, sei normal, erklärte man mir. Warum mich das nicht befriedigte, weiß ich nicht. Vielleicht weil dieser 13. November nicht nur mein Geburtstag war, sondern der zwanzigste Jahrestag jenes Datums, an dem die Erde endgültig untergehen sollte. Ich ließ mir den neuesten Datachip implantieren und hatte somit gedanklichen Zugriff auf das gesamte Weltwissen. Was ich so über mein erstes Leben erfuhr, hielt ich in Tagebucheinträgen fest, die hier in KI-Transkription vorliegen: recherchierter Rückblick, erlebte Gegenwart und Zukunftsvision in einem.

Genau genommen war ein Weltuntergang nichts Neues. Das Ende der Welt beziehungsweise die Angst davor war bereits seit der Antike überliefert. In der Folge wurden alle paar Jahrzehnte je nach Couleur astrologische, esoterische, religiöse, politische oder naturwissenschaftliche Phänomene und Zeichen entsprechend gedeutet. Die Szenarien reichten vom jüngsten Gericht über Kometen-Einschläge auf der Erde oder die Invasion von Außerirdischen bis zu einem nuklearen Holocaust oder der Selbstzerstörung durch künstliche Intelligenz. Die Apokalypse beschrieb das Ende der Welt in grauenhaften Einzelheiten, der Maya-Kalender wurde bemüht, Nostradamus‘ Verse angeführt, und die Zeugen Jehovas hatten die Welt in einem Jahrhundert gleich dreimal untergehen lassen wollen. Möglicherweise war es die Uneinigkeit der Prophezeiungen, die den Weltuntergang jedes Mal doch noch verhinderte, obwohl die Zustände auf der Erde inzwischen in jeder Hinsicht mehr als bedenklich waren – und das fanden nicht nur Idealisten, Auguren, Sterndeuter und notorische Schwarzseher.

 

Zur Weltlage

Zwar war das atomare Wettrüsten inzwischen durch bilaterale Abkommen eingedämmt worden, gegen das Aufflammen von Kriegen an allen Ecken und Enden der Welt war offensichtlich kein Kraut gewachsen: Sunniten gegen Schiiten, Huthi im Jemen, Bürgerkrieg in Syrien, unterdrückte Kurden, Israeli gegen Palästinenser, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, al-Qaida, Islamischer Staat, Boko Haram gegen alle – die Liste war endlos und änderte sich ständig. Kaum war in der westlichen Hemisphäre etwas Ruhe eingekehrt, wurde in der östlichen oder südlichen erneut und noch hitziger gezündelt. Unbeteiligte Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder, waren permanent in Gefahr, starben unschuldig, wurden vertrieben. Kein Wunder, dass nicht Wenige den Spieß umkehrten und sich lieber dem Kampf verschrieben, als jahrelang unter unwürdigen Bedingungen in Flüchtlingscamps dahinzuvegetieren. Ein Ende dieser Spirale der Gewalt war damals nicht abzusehen.

Mit Riesenschritten auf dem Vormarsch war die Klimaveränderung, vor der schon zweihundert Jahren gewarnt wurde. Dagegen hatten weder der Club of Rome von 1972 noch das Kyoto-Protokoll von 1997 etwas ausrichten können. An Wetterextreme, schmelzende Gletscher, Versteppung und Dürreperioden hatte man sich längst gewöhnt, doch längst sorgte die deutlich messbare Erderwärmung für gravierendere Auswirkungen. Trinkwasserknappheit, fortschreitende Wüstenbildung, Tsunamis und steigende Meeresspiegel waren keine leeren Drohungen mehr. Erste Südseeinseln wurden evakuiert, und in vielen Ländern arbeitete man fieberhaft daran, die einst dem Meer abgerungenen Küstenstreifen zu schützen, damit sie nicht eines baldigen Tages voll liefen wie eine Badewanne. Trotz dieser sehr realistischen und wissenschaftlich belegbaren Fakten wurde das Pariser Klimaabkommen nicht von allen Ländern unterzeichnet geschweige denn umgesetzt. Im Gegenteil traten mehrere Mitglieder aus, wohl weil ihnen sonst umfangreiche Strafzahlungen wegen Nichteinhaltung der Klimaziele gedroht hätten. Die anderen Länder, darunter die Europäische Union, konnten sich nach zähen Verhandlungen wenigstens zu Mini-Kompromissen durchringen.

Auch sonst stand es mit der Welt nicht zum Besten. Die Schere zwischen den Industrienationen und der sogenannten Dritten Welt hatte sich seit der Jahrtausendwende immer weiter geöffnet. In den Händen beziehungsweise auf den Konten von zwei Prozent der Menschheit befand sich mehr als die Hälfte des weltweiten Vermögens. Die andere Hälfte war natürlich nicht gleichmäßig auf die 98 Prozent aufgeteilt; berücksichtigte man zehn Prozent der Weltbevölkerung, so hatte diese Minderheit einen Anteil von 85 Prozent am Gesamtvermögen. Das bedeutete, dass neunzig Prozent der Menschheit mit 15 Prozent des Weltvermögens auskommen mussten. Oder eher: Knapp überlebten. Dem überwiegenden Teil von ihnen mangelte es an allem und jedem, sie litten unter Armut, Ernteausfällen, Hunger, Wohnungsnot, Krankheiten, Wasserknappheit, Kindersterblichkeit und und und. Das Ungleichgewicht zwischen den wenigen Wohlhabenden und den vielen bitter Armen schrie zum Himmel. Dabei fehlten keineswegs die Mittel, diese Verteilungsungerechtigkeit zu beenden, sondern einzig und allein der Wille dazu. Denn das Haarsträubende war, dass die benötigten Ressourcen, das Wissen und die Methoden längst erforscht und entwickelt waren, um die gesamte Weltbevölkerung angemessen grundauszustatten. Allen voran gerieten die Industrienationen als Täter ins Visier. Zunächst waren es nur die romantischen Utopisten und idealistischen Weltverbesserer, die den Kapitalismus anprangerten, aber bald kam die Kritik auch von ernst zu nehmenden Globalisierungsforschern wie dem Schweizer Soziologen Jean Ziegler, der ihn in seinem Buch ‚Ändere die Welt‘ (2015), gar als kannibalisch bezeichnete. Das wirbelte mächtig Staub auf, wurde kontrovers diskutiert und brachte alle Bevölkerungsschichten zum Nachdenken. NGOs und radikale Aktivisten griffen die Idee auf und forderten die Abschaffung dieses ungerechten Systems. Was genau an dessen Stelle treten sollte – da hatte freilich jede Gruppe ihr eigenes Konzept, die Vorstellungen klafften meilenweit auseinander und kein Kompromiss in Sicht. Die Zukunft auf der Kippe schien die Erde richtungslos durchs All zu taumeln. Die Unsicherheit versetzte das kollektive Weltbewusstsein in einen eigenartigen Schwebezustand, der Anfang des 22. Jahrhunderts seinen Höhepunkt erreichte.

Mitten hinein in dieses Vakuum platzten Meldungen über kosmische Umwälzungen, spiralförmige Meteoritenbahnen, verblassende Astralfarben, Saturn auf dem Scheideweg, einen auf dem Kopf stehenden Regenbogen und viele mehr. Das ließ nur ein Fazit zu: Das Weltenende war definitiv nahe. Zeitungen, Fernsehen, Internet und alle sozialen Medien stürzten sich auf die Schreckensnachrichten, Berichte, Interviews, Expertenmeinungen überschlugen sich – denn dieser Weltuntergang war in einem Punkt einzigartig: Zum ersten Mal in der Historie der Endzeitprophezeiungen waren sich die Rufer und Mahner einig, dass die Auslöschung der Menschheit unmittelbar bevorstand: Am Freitag, den 13. November 2130.

Der 13. November kam – und verging wie jeder x-beliebige Tag davor und danach. Der unisono angekündigte Weltuntergang unterschied sich in nichts von allen anderen im Lauf der Jahrhunderte prophezeiten: Er fand nicht statt.

 

Und doch: Seither ist die Welt eine andere

Möglicherweise war es genau diese konzertierte Aktion, die den Wandel eingeleitet hat. Die Bedrohung durch die vereinigten Schwarzseher dieser Erde hat die Menschheit alarmiert, ihnen die Augen geöffnet und ihr Bewusstsein wachgerüttelt. Oder eher die Herzen. Denn an jenem 13. November begann die Humanität ihren Siegeszug um die Welt. Damit soll nicht behauptet werden, es habe vorher keine Nächstenliebe gegeben, natürlich waren Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft und Wohltätigkeit keine neuen Erfindungen; wenn Hilfsorganisationen wie Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt und Wild Life Fund, um nur einige zu nennen, dazu aufriefen, fühlten sich Hunderttausende angesprochen und gaben reichlich, auch und vor allem die sogenannten kleinen Leute, die selbst nicht viel hatten.

Genau in diesem Punkt hat sich seit dem 13. April 2130 Entscheidendes geändert. Nun wurden die Superreichen aktiv, wenn es irgendwo in der Welt zu helfen galt. Nach den Gründen dafür befragt, erklärten sie, ihnen komme der Gebrauchswert ihres Reichtums abhanden. Da es schlicht unmöglich sei, gleichzeitig in fünf Villen zu wohnen oder zehn Autos zu fahren oder mehr als rund um die Uhr nichts zu tun, könnten sie ebenso gut die Lage der Ärmsten der Armen verbessern. Solche Argumente leuchteten immer mehr Millionären ein, und der Reichtum, der in der Welt erwirtschaftet wurde, begann von oben nach unten zu fließen. Ein großer Schritt in Richtung Verteilungsgerechtigkeit.

Das öffentliche Bewusstsein für globales Denken wuchs ganz allgemein. Vor allem dem Planeten gegenüber übernahm die Menschheit mehr Verantwortung. Die Energiewende wurde vorangetrieben, vorbei die Zeiten, wo der Bau von Stromtrassen daran scheiterte, dass jeder sehr gern grünen Strom haben wollte, aber die Leitungen auf keinen Fall über sein Grundstück verlaufen durften. Weltweit wurde ein Atomkraftwerk nach dem anderen abgeschaltet, Kohlekraftwerke waren Geschichte, die Notwendigkeit erneuerbarer Energieversorgung aus Sonne, Wind und Erdwärme wurde Konsens. Der öffentliche Nahverkehr wurde flächendeckend ausgebaut und selbstverständlich umweltfreundlich, ebenso der Individualverkehr. Letzteren ganz abzuschaffen, wird vermutlich nicht gelingen, aber Verkehrsdelikte und Unfälle sind sehr viel weniger geworden, seit alle Fahrzeuge mit Autopiloten ausgestattet sind.

Ernährung war ein großes Thema. Kaum jemand dachte dabei an Modediktat, Bikini-Figur oder Fitness, die globalen Zusammenhänge rückten in den Fokus. In den Industrieländern änderten sich die Essgewohnheiten, es wurde Wert auf regionale, nachhaltig produzierte Lebensmittel gelegt. Keiner schrie nach Erdbeeren im Dezember, und ebenso verlangte niemand im Februar neue Kartoffeln aus Übersee. Weil die Tierfütterung ein Mehrfaches der Getreidemenge verschlang, mit der man Millionen Menschen satt machen konnte, ging der Fleischkonsum radikal zurück. Und wenn ab und zu ein Steak auf den Teller kam, dann stammte es vom Bauernhof im nächsten Dorf; und ein Hähnchen bestand nicht mehr nur aus Schenkeln und Brust, wie früher, wo der Rest zu Spottpreisen auf den afrikanischen Markt geworfen wurde und die dortigen Hühnerzüchter auf ihren Waren sitzen geblieben sind.

Als weiterer Schritt zu mehr Gerechtigkeit wurden Börsenspekulationen auf Grundnahrungsmittel, insbesondere Getreide, verboten. Die Preise konnten nun nicht mehr von gewieften Bankern mit ihren noch gewiefteren und vor allem schnelleren Computerprogrammen in astronomische Höhen getrieben werden, um horrende Kursgewinne einzustreichen. Das half Staaten, die – ob durch Naturkatastrophen, Kriege oder Spekulationen – in Notlagen geraten waren. So konnten sie weiterhin auf dem Weltmarkt einkaufen und die Grundversorgung ihrer Bevölkerung sicherstellen. Auf diese Weise gelang es, die Hungersnöte weltweit zu bannen.

 

Der Mensch im Blick

Nicht nur als Folge der besseren Ernährung waren Krankheiten auf dem Rückzug. Seit die Medizin das Individuum in den Mittelpunkt stellte, wurde auch in Bereichen geforscht, die nur von speziellem oder regionalem Interesse waren. Wissenschaftler und Universitäten waren nicht mehr auf Gelder der Pharmaindustrie angewiesen, die ihr Füllhorn nur über Forschungsprojekte ausschüttete, wenn das daraus resultierende Produkt lukrative Gewinne versprach. So wurden nicht nur in der Behandlung von Krankheiten große Fortschritte erzielt, auch die Vorsorge war ein wichtiges Thema in der Wissenschaft. Inzwischen gibt es gut verträgliche und wirksame Schutzimpfungen gegen fast alle Infektionskrankheiten, die Frühsterblichkeit nimmt rapide ab. Die Weltgesundheitsorganisation ist guter Hoffnung, dass in nicht allzu ferner Zukunft Seuchen, Epidemien und Pandemien praktisch vom Erdboden getilgt sind.

Dieses Motto hat auch die Industrie übernommen. Zugegeben, nicht ganz freiwillig, so mancher Betrieb schwenkte erst um, als er auf seinen Produkten sitzen zu bleiben drohte, weil sie von den Kunden boykottiert wurden. So wurden zum Beispiel die Mindestlöhne erst Jahre nach der offiziellen Einführung endlich angepasst und flächendeckend durchgesetzt. Zur Ehrenrettung der Konzerne sei gesagt, dass sich seither viel getan hat: Sie haben sich verpflichtet, Unternehmensgewinne zu einem beachtlichen Prozentsatz in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu investieren, Chefgehälter leistungsgerecht anzupassen, Abfindungen zu kürzen oder zu streichen, wenn Manager den Karren an die Wand gefahren haben. Nach und nach ist sogar das Bewusstsein gereift, dass Geld und Macht nicht in ein und derselben Hand liegen sollten. Dies ist inzwischen zum anerkannten und allgemeingültigen Prinzip der Unternehmenskultur geworden. In den Führungsetagen werden Zukunftsstrategien entwickelt, über das dafür benötigte Kapital verfügen die Mitarbeiter. Um den Betrieb erfolgreich zu machen, müssen sich beide Seiten zusammensetzen und eine Lösung finden. So kommt es zu einer Balance zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, indem Entscheidungen und Verantwortung gleichmäßig auf alle Schultern verteilt werden.

Dieses neue Bewusstsein von gegenseitiger Verantwortung und der Notwendigkeit der Kompromissfindung hat auch Auswirkungen auf die Menschen als Staatsbürger. Früher gingen viele aus Verzweiflung über unfähige, gleichgültige und machtbesessene Politiker überhaupt nicht zu den Urnen oder machten ihr Kreuzchen bei schrillen oder gar inakzeptablen Parteien, die danach schneller von der Bildfläche verschwunden waren, als sie ein Parteiprogramm erstellen konnten. Damit ist hierzulande schon lange Schluss. Wahlmüdigkeit und Protestwahlen sind passé, die Menschen engagieren sich für die Demokratie, die zwar keine ideale, aber doch die beste aller schlechten Staatsformen zu sein scheint. Denn sie bietet immerhin legale Möglichkeiten zur Veränderung: aktives und passives Wahlrecht, Meinungsfreiheit, Demonstrationsrecht, Rechtsstaatlichkeit. Ohne Angst um Leib und Leben können Kritik angebracht, Zweifel angemeldet, Misstrauen geäußert und korrupte Abgeordnete ihres Amtes enthoben werden. Und spätestens bei der nächsten Wahl dürfen die Staatsbürger die Vertreter abwählen, die nicht im Sinne echter Globalität handeln.

Trotzdem ist die Demokratie kein Schlaraffenland, sie will gepflegt, beschützt und Wahl für Wahl neu erkämpft sein. Unter ihrem Deckmantel sind in der Vergangenheit nicht nur blühende Landschaften entstanden, sondern auch repressive Monokulturen, wo Andersdenkende verfolgt, unliebsame Meinungen unterdrückt und Scheinwahlen durchgeführt wurden. Man denke nur an jenen Teil Deutschlands, der zwar das Demokratische im Namen trug, sein Volk jedoch hinter einer Mauer, Wachtürmen und Selbstschussanlagen verbarrikadieren musste. Als die Farce zu offensichtlich und die Zustände unerträglich wurden, trafen sich Montag für Montag Menschen mit Visionen zu Friedensgebeten und Diskussionen in der Nikolaikirche in Leipzig. Was in kleinen Gruppen begann, verlagerte sich vom Kirchenschiff auf die Straße, formierte sich zum Demonstrationszug, der 1989 zum Mauerfall und zur Auflösung der DDR führte. Eine gewaltlose Revolution der Sanftmütigen, wie Zeitungen zum 25. Jahrestag titelten. Auch in anderen Ländern, in Nahost, in Nordafrika, auf dem Balkan, machte der gewaltlose Sturz von totalitären Systemen Schule.

Leider folgte in den Jahrzehnten darauf fast weltweit ein unerwarteter Rückfall in autoritäre Strukturen, die rechte bis rechtsextreme Regierungen an die Macht brachten. Doch der Demokratievirus war und ist unkaputtbar: Er befähigt Staatsbürger, ihre despotischen Oberhäupter friedlich per Stimmabgabe abzusetzen. Inzwischen ist es in vielen Ländern der Welt gelungen, und die Aktionen gehen weiter, wie man aus wohlunterrichteten Kreisen erfährt.

‚Wohlunterrichtete Kreise‘ ist übrigens keine beschönigende Formulierung, sondern erfreuliche Tatsache. Die Rolle der Medien hat sich in den letzten Jahrzehnten langsam, aber grundlegend gewandelt. Die schnelle Sensationsberichterstattung, wo Reporter jedes Ereignis als weltbewegendes Phänomen präsentieren oder in Ermangelung einer solchen Bagatelle zu Sensationen hochstilisieren, ist passé. Papparazzi-Methoden sind verpönt, und es werden keine mit schneller Nadel gestrickten Meldungen durch den Äther beziehungsweise über Satelliten und Server gejagt. Stattdessen wird gründlich recherchiert und objektiv berichtet, das Umfeld berücksichtigt und konträre Standpunkte nicht unterschlagen. Das trägt wesentlich zu sachlichen und realistischen Reportagen bei, damit ist eine weitere Sprosse zu einer besseren Welt erklommen.

 

Viel erreicht, doch nicht genug

 

Die Anstrengungen müssen weitergehen. Bis zu einer schönen neuen Welt ist es noch ein weiter Weg. Das gegenwärtige Wirtschaftssystem hat zwar seinen kannibalischen Anteil größtenteils überwunden, aber es ist und bleibt eine auf Privateigentum, Produktion, Konsum und Markt basierende Gesellschaftsordnung. Es wäre wünschenswert, die erworbenen Überschüsse nicht nur in den eigenen Betrieb, das eigene Land zu reinvestieren, sondern das Erzielen von Gewinn als globale Herausforderung zu begreifen. Erst dann hätte der Kapitalismus seine soziale Verantwortung voll übernommen, sozusagen auf eine breite Basis gestellt, in der sich alle Menschen aufgehoben und wertgeschätzt fühlen, was sich im Umgang untereinander widerspiegeln würde. Es gäbe keine Fremden mehr, die als Konkurrenten um Geld, Job, Wohnraum, Besitz und Einfluss gesehen würden, sondern einzig und allein Mitmenschen mit den gleichen Rechten und Pflichten wie man selbst.

Diese Einstellung wäre ein wichtiger Beitrag zur Befriedung der Erde. Denn rundum gut versorgte, gut behandelte und zufriedene Menschen, die ein Leben in einer funktionierenden Gemeinschaft führen und ihre Meinung offen äußern können, hätten keinen Grund, neidisch zu sein oder sich benachteiligt oder nicht anerkannt zu fühlen. Im Privatleben würden Konkurrenzdenken, Streit, Diebstahl, Mord auf ein Minimum zurückgehen, kollektive Gewalt erst recht: Bürgerkriege würden nur noch in Geschichtsbüchern existieren, ebenso Partisanenkämpfe und Anarchie. Vor allem wäre damit sämtlichen Terrororganisationen das Wasser abgegraben und sie würden für immer ausgetrocknet.

Im sozialen Miteinander würden die Menschen immer fortgeschrittener. Jeder Satte würde sich um einen Hungernden kümmern, jeder Reiche um einen Armen, jeder mit Dach über dem Kopf um einen Obdachlosen, jeder Gesunde um einen Kranken, jeder Fröhliche um einen Traurigen, jeder Bekleidete um einen Nackten, jeder Mutige um einen Mutlosen, jeder Arbeitende um einen Arbeitslosen, jeder Rechtschaffene um einen ehemaligen Bösewicht, ja, auch das. Jeder wäre mit jedem solidarisch. Wenn diese Haltung jedem einzelnen Menschen in Fleisch und Blut, in Kopf und Herz überginge, dann wäre die Welt mehr als schön und neu, dann wäre sie das Paradies, gelebte Einheit, Freiheit und Brüderlichkeit.

Das Paradies. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist es in greifbare Nähe gerückt, falls, ja, falls ihr nicht Menschliches, Allzu-menschliches in die Quere kommt. Denn angenommen, die oben beschriebenen paradiesischen Zustände wären tatsächlich erreicht – wie lange würde es dauern, bis sich Individuen herauskristallisierten, die ganz besonders solidarisch, auffallend sozial und über alle Maßen verantwortungsbewusst wären und deswegen alsbald mehr Ansehen, Gewicht und Einfluss einforderten – und das womöglich sogar mit dem Einverständnis der bequemen Masse?

Die Frage, von der das Gelingen der schönen neuen Welt wesentlich abhängt, ist diese: Kann der Mensch sich grundlegend und dauerhaft ändern oder droht ein Rückfall in die Verhaltensweisen vor dem nicht stattgefundenen Weltuntergang am 13. November 2130? Die Zukunft wird es zeigen.

 

ENDE

 

 

 

Beitrag 32

 

„Die Erste – mein zweites Leben“

 

Cirkulin, 13. November 2150 (Freitag)

 

Kapitel 1

 

Hey TB,

 

hast du mich vermisst? Sorry, viel los. Hab kaum Zeit, muss das aber jetzt loswerden.

 

Immer sagt jemand, ich soll glücklich sein! Selbst Rey! Klar, sollte ich sein. Ich bin die Erste! Unten feiern sie zu meinen Ehren. Ich höre die Bass-Box bis hier oben. Habe mich kurz zu dir weggeschlichen.

 

Zumindest gibt’s die hübschen Hologramme, die sind genial. Am liebsten mag ich die hundertstel Sekunde, in der die Zahl in ein Farbenmeer explodiert. Für den Hauch eines Bruchteils strahlt beim Wechsel ein lila Leuchten. Beim letzten Mal hatte ich nur die aufblasbare 20.

 

Ich sage dir: Nie wieder gibt es eine Party für mich! Die hohen Chefs werden genauso wie ich sehr schlechte Erinnerungen an einen Freitag, den 13., haben.

 

Tut mir leid, muss wieder gehen. Eine von denen ganz oben muss mir unbedingt jetzt Happy Birthday wünschen. Unverschämt!

 

Eine letzte Sache muss ich noch erledigen, bevor ich ins Piranha-Becken springe.

 

Bis später.

 

Kuss, Svenja

 

„Frau Kohland? Haben Sie meine Frage verstanden?“, möchte Frau Nittel wissen und starrt Svenja skeptisch an. Svenja allerdings beachtet die Leiterin der Forschung nicht und spricht gelassen mit ihrem Visueldevice.

 

Cirkulina: Veröffentliche sofort die Datei ‚Die Erste – mein 2. Leben‘.“

 

„Was haben Sie da gemacht?“, hakt Frau Nittel mit gerunzelter Stirn nach.

 

„Was soll ich schon gemacht haben? Ich habe mich befreit!“

 

 

Kapitel 2

 

Mit gesenktem Kopf sitzt Svenja auf dem Sessel des hübsch dekorierten Aufenthaltsraumes der Einrichtung. Die Party ist gesprengt! Nur die wichtigsten Persönlichkeiten dürfen bleiben. Sie schleudern wie ein wütender Mopp mit Bluthochdruck Beschimpfungen und Drohungen gegen Svenja.

 

„Ich bin so enttäuscht, nein, zutiefst enttäuscht von dir, Svenja! Ich möchte wissen, warum? Warum hast du das gemacht? Du hast uns – eigentlich mich – hinterlistig mit einem Lächeln den höchsten Berg runtergestoßen und guckst noch hinterher, ob wir auch wirklich unten am Boden aufklatschen!“, fährt sich Reyna hoch.

 

„Ganz schön theatralisch. Ihr seid diejenigen, die mich unter einem Vorwand all das hier haben machen lassen“, kontert Svenja.

 

„Ich nicht! Vor 100 Jahren habe ich noch nicht gelebt!“, beschwert sich Reyna vehement.

 

„Hab ja deswegen auch ‚ihr‘ gesagt. Du warst doch gar nicht gemeint. Du musst mich auch verstehen …“, motzt Svenja zurück.

 

„Also Frau Kohland, ganz ehrlich, Sie durften leben! Und das sehr gut! Schon dieses Wunder in Ihrer Situation muss ausreichen. Hätte, Wenn und Aber sind einfach undankbar!“, unterbricht Herr Trigontes Svenjas klägliche Versuche sich für ihre Tat zu rechtfertigen.

 

Mit einem Ruck stürzt Svenja auf Reyna zu. Sie drückt sie gegen die Wand und schaut Reyna mit festem Blick an.

 

„Die Aktion war nicht gegen dich gemeint, Rey, das musst du mir einfach glauben!“

 

„Lass. Mich. Sofort. Los!“, reagiert Reyna auf Svenjas verzweifelten Versuch, sie nicht zu verlieren. Kurz danach ziehen zwei Männer Svenja von ihr weg.

 

 

Zalan, 14. Mai 2050 (Samstag)

 

Liebes Tagebuch,

 

gestern Vormittag passierte etwas wirklich Schlimmes.

 

Du weißt schon: die Feier. Ich hatte gerade die letzte 20 aufgepustet, da schiebe ich dämlicher Weise den kompletten Dip mit dem Ellbogen runter. Kein Chip ohne Dip! Also bin ich wieder los.

 

Wären Mama und Papa noch da, hätte ich Mama mit meinem speziellen, niedlichen Blick überredet, einkaufen zu fahren. Sie ist eine vorbildliche Autofahrerin, im Gegensatz zu mir.

 

Meine beste Freundin hätte nach mir suchen müssen, bevor sie mit meinem Ersatzschlüssel meine Geburtstagsparty ohne mich startet. Als Natalie Strom durch die Musikanlage geschickt hat, wurde Strom durch mich geschickt. Aber woher sollte sie wissen, dass ich in dem Moment aus dem Auto gezogen und wiederbelebt wurde.

 

Dank meiner hoch dosierten, Schmerz und Beruhigungsmittel kann ich dir schreiben, ohne dabei in Heulerei und Ich-hasse-mein-Leben Sprüchen zu verfallen.

 

Schlechtester Geburtstag ever. An einem Freitag, dem 13., bleibe ich für immer 20, denn den 21. werde ich nicht mehr erleben.

 

Happy Birthday!

 

Kuss, Svenja. 

 

 

Kapitel 3

 

Die beiden großen Männer stehen festgetackert neben Svenja und beäugen sie missmutig.

„Hey, schon gut! Ich steh‘ nicht mehr auf“, knurrt Svenja.

 

Reyna wischt sich unbeobachtet eine kleine Träne weg. Svenjas kindlicher Racheakt! Sie erkennt ihre große Liebe nicht mehr. War das alles Taktik? Svenjas starrender Blick gräbt sich tief in sie hinein.

 

„Wir müssen diesen Dreck sofort aus dem Netz heraus brennen!“, befielt ein kleiner, dünner Mann aus der hinteren Ecke.

 

„Sie wollen mein Tagebuch löschen? Wissen Sie, was für eine Arbeit darin steckt?“, fragt Svenja empört.

 

„Und was meinen Sie, wie viel Arbeit und Zeit in unserem Projekt liegt?“, entgegnet Frau Nittel mit einem feindlichen Unterton.

 

„Aber zu welchem Preis?“, kontert Svenja.

 

„Das ist doch noch gar nicht bestätigt, Frau Kohland“, mischt sich Herr Trigontes ins Gespräch. „20 Jahre sind Sie doch gut über die Runden gekommen, die hätten Sie sonst nicht gehabt! Das bisschen Unwohlsein!“, führt er weiter aus.

 

„So ist es nicht und das wissen Sie!“, rechtfertigt sich Svenja.

 

„Das stimmt. Ich habe alles aufgenommen. Das war und ist meine Aufgabe!“, sagt Reyna monoton und blickt Herrn Trigontes fest an.

 

„Ihre Aufgabe steht hier gar nicht zur Diskussion, Frau Zand. Dafür hat Ihre Großmutter reichlich und rechtlich gesorgt.“ Herr Trigontes schleudert Reyna die Tatsache so abfällig wie möglich vor ihre Füße.

 

„Entspannen Sie sich … Herr … Trigontes! Als Vorstandsmitglied und Teamleiter Forschung erwarte ich Respekt gegenüber Mitarbeitern, egal, was Sie von einer Angelegenheit halten“, weist Frau Nittel, die auch Vorstandsvorsitzende ist, ihn energisch zurecht.

 

„Machen Sie doch, was Sie wollen. Sie sehen ja, wo das endet“, winkt Herr Trigontes ab. Er dreht sich ruckartig um und verlässt eilig den Raum.

 

 

 

Zalan, 28. Mai 2050 (Samstag)

 

Hey Tagebuch,

 

dieser dämliche Unfall!

 

Es gibt so viele Wenn und Aber. Kein doch nicht heruntergefallener Dip in meinen Überlegungen ändert mehr etwas. Ich sterbe und das zeitnah! Diese Gedanken darf ich nicht mehr zulassen, ansonsten gibt die Maschine neben meinem Bett zur Warnung ein Piep-Konzert.

 

Natalie kam zu Besuch. Meine beste Freundin. Das erste Mal nach meinem Unfall. Zwei Wochen brauchte sie dafür! Klar, sie hatte geschrieben. Eine Nachricht. Zusammen mit meinem Ersatzschlüssel drückte sie mir mit freudigem Gesicht rein, wie genial meine eigene Geburtstagsparty war – ohne mich. Ihren One-Night-Stand mit meinem Nachbarn, in meinem Bad, nahm ich mit einem kleinen Lächeln hin.

 

Das Gerät neben meinem Bett quetschte die schrillsten Piepstöne überhaupt aus seinen kleinen Lautsprechern.

 

Als Natalie die Klinke in der Hand hatte, gestand sie mir, sie würde es psychisch zu sehr belasten, mich zu weiter zu sehen. Außerdem bräuchte ich meine ganze Kraft für mich allein, um nicht so schnell zu sterben. Schließlich sähe ich jetzt schon wie ein Zombie aus. Eigentlich kann das Gerät neben mir gar keinen Ton mehr abgeben, da mein Herz stehen geblieben ist.

 

Immerhin: Sie hat mir den Dreck ins Gesicht gesagt. Jeder erhält Gerechtigkeit! Mal sehen, ob sie in neun Monaten ein Mini in den Armen wiegt. Umstände ändern die eigene Wahrnehmung.

 

Ich brauche meine Eltern! Sie würden mir Märchen erzählen und mit mir einen schönen Urlaub in sechs Monaten planen. Vielleicht nicht unbedingt mit dem Flieger.

 

Es fühlt sich an, als wäre ich schon tot!

 

Tschö

 

 

Svenja

 

 

Kapitel 4

 

Behutsam nähert sich Svenja der mit den Tränen ringenden und vor sich hin schimpfenden Reyna.

 

„Ich kann nichts dafür, wenn meine Oma für mich gesorgt hat! Was bildet der sich …“, sie stoppt abrupt und fixiert Svenja mit einem ernsten Blick. „Was willst du denn jetzt? Mich wieder in den Abgrund stoßen?“

 

„Hey. Das stimmt nicht, und das weißt du“, antwortet Svenja sanft und ruhig.

 

„Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht! Ich muss mir über einiges klar werden. Wer bist du plötzlich? Schlaf‘ heute Nacht woanders!“ Ihre leise Stimme zittert, bricht immer wieder weg. Svenja hört nicht jedes Wort, weiß aber: verkackt! Resignierend entweicht ihr ein dünnes „ok“ über ihre Lippen. Reyna schnappt sich ihre Handtasche und reißt ihre Jacke vom Haken, als sie hinausläuft.

 

Mit einem süffisanten Grinsen schlendert Frau Nittel auf Svenja zu. „Ein wenig zufrieden, fast schon belustigt bin ich bei dieser winzigen Gerechtigkeit. Haben Sie geglaubt, Frau Zand freut sich über die Demütigung des Lebenswerkes ihrer Großmutter und der ganzen Familie?“

 

„Ich dachte, sie würde es zumindest akzeptieren,“ gibt Svenja zerknirscht zu. Von jetzt auf gleich verfällt Frau Nittel in schallendes, für sie untypisches, Lachen.

 

„Und ich dachte, Sie wären nicht mehr so naiv, wie vor 20 Jahren oder wie lange ist es wirklich her?“, fragt Frau Nittel spöttisch. „Aber ich zeige mich von meiner gnädigen Seite. Sie dürfen ein Gästezimmer für Neuankömmlinge beziehen. Dann müssen Sie nicht in einem originären Hotelzimmer nächtigen.“

 

„Das mit dem ‚naiv‘ ignoriere ich mal. Eigentlich wollen Sie mich nur überwachen. Das ist der einzige Grund, weshalb ich hier schlafen darf, oder nicht?“

 

„Oh, Sie haben doch dazu gelernt. Ich verabschiede mich. Teilen Sie Herrn Kleine mit, welches Zimmer Sie gewählt haben.“ An der Haustür dreht sich Frau Nittel um und schaut Svenja fast fürsorglich an. „Sein Sie intelligent, löschen Sie Ihren kleinen Wutanfall selbst aus dem Netz. So gewinnen Sie Anstand und Anerkennung zurück. Vermutlich wäre Ihnen Frau Zand unendlich dankbar und verzeiht Ihnen. Ansonsten verlieren Sie alles! Oder glauben Sie wirklich, Sie haben sich damit befreit?“

 

 

Zalan, 15. Juni 2050 (Mittwoch)

 

Hi Tagebuch,

 

ich habe heute das Angebot meines Lebens bekommen!

 

Sie können mich heilen! Es ist perfekt! Sie können Organe aus meinem Blut nachwachsen lassen oder so. Das Herz ist wohl das schwierigste, aber die anderen Organe sind kein Problem.

 

Das Gerät neben meinem Bett wird nie wieder piepen.

 

Das Witzigste fehlt noch: Die eine Hübsche ist wieder aufgetaucht. Nach dem Flugzeugabsturz meiner Eltern war sie die Erste. Es war kurz, aber umso intensiver!

 

Als Mina in ihrem teuren Designeranzug mein kleines Krankenhauszimmer betrat und sich vorstellte, stockte sie lange. Ich erkannte sie sofort! Das wunderhübsche Gesicht lief vom Hals bis in die Haarspitzen rot an.

 

Ein paar Augenblicke später fing Mina sich und präsentierte ihre lebensverändernden Unterlagen auf dem kleinen Tisch mit zwei Stühlen, wo ich täglich mein fades Krankenhausessen zu mir nehme.

 

Mit einem kleinen Satz zwischendrin stellte Mina klar: 1. Sie erkannte mich sehr wohl. 2. Ein WIR wird es nie mehr geben.

 

Weiter im Verkaufstext. Ich wäre die beste Probandin mit den erfolgversprechendsten Aussichten. Nur ein paar Monate hier, ein paar Monate da muss ich warten. Kein Ding, wenn ich so lange noch habe.

 

Bis bald.

 

 

Svenja

 

Kapitel 5

 

In dem winzigen Gästezimmer legt sich Svenja erschöpft auf das knarzende Bett und atmet tief durch. Nach dem Eklat nimmt Herr Kleine, der Hausmeister, die Zimmernummer mürrisch und wortlos nickend hin.

 

Leise Zweifel an der Aktion schleichen sich in Svenjas Gedanken. Sie will frei von der Firma sein, die sie in ihren Augen betrogen hat. Die vielen Operationen, Spritzen, Medikamente und vor allem Schmerzen, stehen nicht in Minas Portfolio von vor so vielen Jahren.

 

Schon ab Tag eins wird Svenja bei jeder täglichen Untersuchung eingetrichtert: Ohne diese speziellen Tabletten, stirbt sie! Am ersten Tag ohne Arznei wird sie sich wie ein Koffein-Häschen auf Entzug fühlen. Spätestens am fünften Tag ist es zu spät.

 

Kopfschüttelnd kramt Svenja eine kleine Metallbox aus den Tiefen ihres Rucksacks. Mit der Fingerspitze zählt sie die stecknadelkopfgroßen Pillen.

 

„20! Ich lebe! Mir geht es gut! Sogar besser als mit denen!“, ruft Svenja laut durch das Gästezimmer.

 

 

Zalan, 19. August 2050 (Freitag)

 

Hey Tagebuch!

 

Mina war wieder da! Ok, für weitere Untersuchungen. Träumen darf man ja wohl noch.

 

Meine Werte scheinen Mina Sorgen zu machen. Beim Durchblättern wechselt sie sich mit Stirnrunzeln und zusammengekniffenem Mund ab. Der ernste Blick danach traf mich hart in mein Gesicht. Zwei Monate!

 

Mein Boden war wie glibberiger Teer, der mich in seine tiefste Grube hinunterziehen und begraben wollte. Bevor ich umfiel, packte sich Mina meinen Arm und zog mich mit einem Ruck in mein sicheres Krankenbett.

 

Als ich wieder zu mir kam, stand Mina immer noch neben mir. Ihr warmer Blick verschwand, als ich ein Auge öffnete.

 

Mina vermied es, mich direkt anzuschauen. Irgendetwas saß ihr noch auf der Leber, traute sich wohl nicht, es zu sagen. Da der Sand aus meiner Uhr beinahe abgelaufen war, hakte ich nach. Nach Minuten des Zögerns spuckte sie es schließlich aus.

 

Ich sollte was tun? Mich einfrieren lassen?!

 

NEIN! Oder doch? Muss dringend schlafen!

 

Svenja

 

 

 

Kapitel 6

 

Bereits um fünf Uhr morgens klopft es stakkato an die Gästezimmertür, wo Svenja tief schlafend auf dem Bett eingerollt liegt.

 

„Nein!“, grunzt Svenja.

 

Als sie das Klicken des Türschlosses hört, sitzt Svenja erschrocken und wach auf der Bettkante.

Bevor sie irgendetwas sagen kann, steht Reyna im Zimmer und schließt schnell die Tür hinter sich.

 

„Sorry! Ich habe dich geweckt.“

 

Noch schlaftrunken reibt sich Svenja die Augen und klopft auf die Decke neben sich. Reyna setzt sich mit geradem Blick zu ihr.

 

„Ich konnte nicht schlafen. Musste dich sehen“, flüstert Reyna.

 

„Ich auch nicht. Bin erst vor ein paar Minuten eingenickt. Ich habe dich so vermisst. Hör mal“, sagt Svenja und zuppelt mit nervösen Fingern an ihrem Schlafshirt. Missmutig schaut Reyna sie an und wartet. „Es tut mir wirklich sehr leid“, murmelt Svenja.

 

„Ok. Und?“, trommelt Reyna mit zwei Fingern auf ihr Bein.

 

„Warte, ich möchte dich zuerst etwas fragen. Was weißt du über die Tabletten, die ich täglich nehmen muss?“, fragt Svenja nervös.

 

Irritiert schaut Reyna ihre Freundin lange an. „Die Zusammensetzung, mehr nicht. Ich habe sie nicht entwickelt. Oder meinst du, dass du ohne sie stirbst?“ Svenja nimmt Reynas Hände fest in ihre eigenen.

 

„Richtig. Ohne die Dinger, sieche ich dahin. Allerdings mit denen habe ich immer wirklich schlimme Kopfschmerzen und starke Übelkeit.“

 

„Ja. Mehr als die Anderen.“

 

„Richtig. Daher möchte ich dir etwas anvertrauen.“, beginnt Svenja zögerlich.

 

„Du kannst mir alles sagen, Süße. Ich liebe dich.“

 

„Ich dich auch. Sei aber jetzt nicht sauer.“ Svenja guckt Reyna lange an, während sie in ihrem Rucksack die kleine Metallbox sucht. Sie kramt tiefer. Svenja legt ein paar Sachen aus dem Rucksack auf das Bett und startet erneut.

 

„Was suchst du denn?“

 

„Moment. Die muss ja hier sein. Gestern war sie definitiv da,“ erklärt Svenja und verteilt kurzerhand den kompletten Inhalt auf ihrem Bett.

 

„Verdammt! Sie ist weg! Jemand hat meine Medi-Box gestohlen!“, kreischt Svenja.

 

 

Cirkulin, 22. August 2050 (Montag)

 

Lieblingstagebuch!

 

In wenigen Minuten bin ich Eis! Mir ist ganz flau im Magen. Könnte daran liegen, dass ich lange nichts Festes essen durfte. Diese ekelhafte Brühe ist für die Kryotherapie notwendig.

 

Mina wartet drinnen auf mich. Sie hat mir nochmal eingebläut, ich solle sie vor anderen nur mit ihrem Nachnamen ansprechen. Niemand sollte auch nur erahnen, dass zwischen uns mal mehr war. Dies ist ihr scheinbar besonders wichtig. Klar, Frau Zand. So wie Sie wünschen. Ich bleibe Ihr kleines, dreckiges Geheimnis, Frau Zand. Die stellt sich an. Es ist ja nicht so, dass ich damals schon ihre Patientin war.

 

Das alles hat nichts miteinander zu tun! Oder?

 

Wir hören uns! In ein paar Monaten bin ich wieder wach. Ich bin die ERSTE!

 

Cu

 

 

Love, Svenja

 

Kapitel 7

 

Svenja starrt Reyna fassungslos an. Der Diebstahl aus einem Zimmer einer sicherheitsgeschützten Privatklinik kann nur eins bedeuten: Der Dieb weiß Bescheid!

 

„Kannst du mich bitte aufklären? Welche Medikamente wurden dir gestohlen? Du kriegst doch nur die eine Tablette, die du immer sofort … warte … sag jetzt nicht, du nimmst die nicht mehr?!“

 

„Richtig,“ bestätigt Svenja.

 

„Bist du irre? Warum? Geht’s dir gut? Wie lange schon? Du hast mir nichts erzählt! Wie fühlst du dich?“, schmettert Reyna ihr die Fragen um die Ohren.

 

„Schau mich an! Mir geht’s gut. Check es selbst nach. 20 Tabletten! Ich wollte erstmal sehen, ob es klappt.“

 

„20? Hat dir damals die Kryokonservierung die Gehirnzellen zerstört?“, meckert Reyna.

 

„Hey! Das ist fies,“ beschwert sich Svenja.

 

„Sorry. Ich mache mir nur Sorgen. Geht es dir wirklich gut? Ohne die Medikamente?“

 

Jepp. Deswegen habe ich mein Tagebuch veröffentlicht. An der Behandlung ist etwas faul“, spekuliert Svenja.

 

„Ich muss die Aufzeichnungen meiner Mutter durchsehen. Mist, dass ich sie nicht mehr fragen kann. Bestimmt wird es …“

 

Plötzlich klopft jemand energisch an die Tür: „Frau Zand? Frau Kohland? Sind sie da drin?“, schallt die unangenehme Stimme Herrn Trigontes, Reynas Chef, dumpf durch die Tür.

 

„Machen Sie sofort auf! Wir haben eine dringende Angelegenheit, miteinander zu besprechen.“

 

Er rüttelt so heftig an der Tür, dass sich die Erdbebennotfallentriegelung aktiviert. Langsam öffnet sich die Tür und gibt seine Angestellte und das Versuchsobjekt Nummer 1 frei.

 

 

Cirkulin, 13. November 2130 (Montag)

 

Hey Tagebuch,

 

endlich kann ich dir schreiben. Ein leichter Nebel umschwirrt noch immer meine Gedanken.

Ich kam am 14. Mai 2030 zur Welt und heute wieder. Hallo, 2. Leben! Warum so spät dran?

Wie üblich, ist das Herz schuld. War doch nicht so einfach, ein Neues zu machen. Ganze 80 Jahre lagen meine konservierten Knochen hier herum, nicht nur ein bis zwei Monate!

 

Leider kann ich mich noch nicht mal bei Mina darüber auslassen. Das kann ich bei niemandem, den ich kenne. Keiner mehr da! Die leitende Ärztin erklärte mir alles ausführlich. Ich soll sehr stolz sein. Ich bin die Erste!

 

Sie erinnert mich stark an Mina, aber mit einem Unterschied. Mina hatte keinen Stock im Arsch und die Ärztin ist viel älter. Scheinbar ist sie Minas Tochter und ist in ihre Fußstapfen geschlüpft. Natürlich.

 

Kurz nach dem Gespräch setzte mir ihre junge Assistentin Reyna Zand, die ungefähr in meinem Alter ist, zwei kleine Clips unter die Haut. Die Clips haben viele Funktionen. Eine davon erlaubt es mir, ungestört mit dir zu sprechen. Morgen soll die OP sein, deshalb darf ich immer noch nichts essen.

 

Die junge Assistentin soll meine Daten überwachen, alles notieren und mir bei jeglichen Fragen unterstützend zur Seite stehen. Okay, sie ist vermutlich meine Aufpasserin, aber dafür eine sehr süße.

 

Muss jetzt schlafen.

 

Melde mich.

 

Kuss, Svenja

 

 

Kapitel 8

 

Herr Trigontes stürmt mit erhobenem Arm auf Svenja und Reyna. Kurz bevor er zuschlagen kann, greift Herr Kleine ein. Er hält den Arm fest und drängt ihn zurück.

 

„Hey Mann, was machen Sie da?“, fragt Herr Kleine und fixiert weiterhin Herrn Trigontes Arm.

 

„Sie! Sie ist schuld an allem!“, schreit er, mit hochrotem Kopf, Svenja an.

 

„Kriegen Sie es wegen Ihrer Machenschaften mit der Angst zu tun oder was soll das hier?“, verteidigt Reyna ihre Freundin.

 

„Eine Bombe. Eine Bombe explodierte vor dem Eingang!“, kreischt er weiter.

 

„Aber Herr Trigontes, es waren nur Papierstreifen drin. Darauf hat man früher mit der Hand geschrieben,“ beruhigt ihn Herr Kleine.

 

„Rote! Es waren blutrote … mit einer Nachricht!“, berichtet der aufgelöste Herr Trigontes.

 

Svenja flüstert unauffällig Reyna ins Ohr: „Die Person hat bestimmt auch meine Pillen gestohlen.“ Reyna nickt zustimmend.

 

„Was besagt denn die Nachricht?“, interessiert sich Reyna.

 

„Hier! Lesen Sie selbst!“ Reyna nimmt den Visitenkarten großen bedruckten Zettel in die Hand.

 

„ICH bin die ERSTE!“, liest sie stockend vor.

 

 

 

ENDE

 

 

Beitrag 33

 

Der Fehler

 

Eintrag vom 13.11.2150; 22.00 Uhr; Gerät: |mobile DigiPlate3| [Ihr digitales Arbeitsdevice]

An diesem Morgen ist mir irgendwann aufgefallen, dass außergewöhnlich viele Blinde in der U-Bahn unterwegs waren. Jedenfalls habe ich sie zuerst für Blinde gehalten. Sie hatten ihre helle Weste mit dem Blindensymbol angezogen und diese kleinen Scanner, die man heutzutage als Sehbehinderter mit einem Kabel hinter dem Ohr trägt wie ein Hightech-Piercing, das dir über elektromagnetische Signale den Weg weist.

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Tatsächlich handelt es sich hierbei keinesfalls um eine durch die Ohrmuschel gestochene Nadel, sondern einen individuell angepassten Ohraufsatz, der mittels Nanotechnik dem Sehbehinderten ein realistisches Umfeld projiziert. :OUT]

Klappe halten, DigiPlate.

Ich dachte mir jedenfalls nicht weiter etwas dabei, hatte es eilig. Mein Weckroboter hat es für nötig gehalten mich länger schlafen zu lassen und sich selbst eine Stunde nach hinten gestellt, weil-

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Die Weckfunktion Ihres humanoiden Haushaltsandroiden |AR54Nigel| stellt sich an Geburtstags und Feiertagen zu dem persönlichen Wohlbefinden seines Besitzers auf dessen ideale Schlafrhythmen ein, damit er für den kommenden Tag bestens ausgeruht ist. :OUT]

Jaja. Ich bin zwanzig geworden. Scheiß Funktion. Bin also aufgewacht und habe gemerkt, dass ich eine ganze Stunde zu spät dran bin. Renne zur U-Bahn Station und nehme die blaue Linie Richtung Stadtmitte. Normalerweise nehme ich die Grüne, weil da weniger Schulkinder drin sind. Und je näher ich der Stadtmitte kam, desto bewusster wurde mir, wie erstaunlich viele helle Blindenwesten auf den Stationen zu erblicken waren.

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Sehbehinderte Menschen sind kein besonderer Anblick in unserer Gesellschaft. Es gibt keinen Grund, ihr vermehrtes Auftreten als eigenartig wahr zunehmen: OUT]

Ernsthaft, DigiPlate, stell dich aus. Ich kann so nicht-

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Systeminformation --- Ihr DigiPlate3 hat sich auf Standby geschaltet: OUT]

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Systeminformation --- Ihr DigiPlate3 beendet nun den Standbymodus: OUT]

Gottverdammtes.

Also: Diese Blinden. Als Erstes, habe ich mir auch nichts gedacht. Dann bemerkte ich allerdings, dass jeder Einzelne von ihnen, eine abgedunkelte Skibrille zu tragen schien. Manchmal sieht man das ja mit so dunklen Sonnenbrillen. Aber wirklich jeder von denen hatte so eine Brille auf. Irgendwann dann, auf der Strecke zwischen Radiostation und Fußgängerzone, stiegen die Ersten ein. Und dann bemerkte ich die nächste Ungereimtheit: Ihre Scanner blinkten nicht.

Normalerweise geben diese Dinger ein kleines, grünes Signal von sich. Daran erkennt man, dass sie angeschaltet sind und funktionieren. Das weiß ich zufällig, weil meine Tante fast nichts mehr sehen kann und auch mit einem Scanner über der Ohrmuschel durch die Weltgeschichte läuft. Wenn der Scanner nicht blinkt, muss man ihn für zwei Stunden laden. Und er funktioniert eben nicht. Ich stand in der Blauen, zusammen mit zwanzig Blinden in einem Abteil, und kein einziger Scanner schien zu blinken. Wie hatten die es bis hierher geschafft?

Um zur Universität für Kunst und Kulturwissenschaften zu gelangen, muss ich von meiner Wohnung aus fast durch die halbe Stadt fahren. Dementsprechend lange bin ich unterwegs. Dementsprechend viel Zeit hatte ich.

Nach ein paar Minuten fiel mir dann auf, dass es sehr, sehr leise im Abteil war. Bis auf das elektronische Summen der Türöffner war es still. Niemand redete, niemand telefonierte, und nachdem ich ein paar Sekunden lang bewusst in die Menge gelauscht hatte, war ich mir fast sicher, dass auch niemand atmete.

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Lieber User, es ist zu vermuten, dass Ihre Ohren sich so sehr an die Geräusche in einer U-Bahn gewöhnt haben, dass Ihnen die alltäglichen Geräuschkulissen nicht mehr auffallen. Daraus resultiert wahrscheinlich die Empfindung, es sei sehr leise gewesen. Sollte dies allerdings nicht der Fall sein, kann Ihr |mobile DigiPlate3| auch umgehend einen Termin für eine medizinische Untersuchung in der für Sie zuständigen Anstalt anmelden, da die ernstzunehmende Vermutung besteht, dass Ihre Hörfähigkeit geschädigt wurde. Dies kann zum Beispiel durch das Hören zu lauter Musik über Kopfhörer entstanden sein. Wenn Sie einen ersten Einstufungstest zu Ihrer Hörfähigkeit machen wollen, tippen sie jetzt „OK“. Wenn Sie mit Ihrem Tagebucheintrag fortfahren wollen, tippen sie „ABBRECHEN“. :OUT]

ABBRECHEN.

Meinen Ohren geht es ausgezeichnet.

Ich stand also in dem Abteil. Mit den nächsten Stationen stiegen die letzten Leute aus – jedenfalls die, die nicht als blind ausgewiesen waren. Die Skibrillen blieben. Und irgendwann stand ich da fast allein. Beim Aussteigen rempelte eine Frau einen der Blinden an – versehentlich, nehme ich an, denn sie trug einen riesigen Rucksack. Der Mann, den sie erwischt hatte, stolperte nach vorn und fand gerade noch sein Gleichgewicht wieder, bevor er in mich hineingefallen wäre. Seine Skibrille hing ihm schief auf der Nase und offenbarte mir den Teil seines Gesichtes, der bisher verdeckt gewesen war. Er hatte Augen. Voll funktionsfähige, lidlose, glänzende Augen. LED Pupillen streiften meinen Blick. Mit einer unmenschlich schnellen Handbewegung schob er die Brille wieder nach oben und richtete sich auf. Er war kein Mensch. Er war ein Androide in Verkleidung.

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Humanoide Androide müssen sich per Gesetzesbeschluss in der Öffentlichkeit als solche zu erkennen geben. Die Erfahrung, die Sie beschreiben, sollte daher auf einem Missverständnis oder Irrtum beruhen. :OUT]

Kann man deine Kommentare eigentlich auch deaktivieren, DigiPlate? Du gehst mir auf den Zeiger.

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Systeminformationen --- Auszug aus dem Handbuch Seite 458, §213 --- „mobile DigiPlate3s Kommentarfunktion kann nicht vollkommen deaktiviert werden, damit das Gerät zu jeder Zeit in der Lage ist, den grundlegenden Kundenservice bereitzustellen. Dazu zählen u.a. die Beantwortung von Fragen, das Abspielen von Musik und Podcasts, Anruf und Videocallfunktionen (eine vollständige Auflistung der Dienstleistungen Ihres AI Assistenten finden sie im Handbuch auf Seite 703, §515b)“ :OUT]

Du mich auch. Dann eben nicht.

Was hätte ich tun sollen? Ich stand da wie versteinert und starrte den Androiden an. Es machte keinen Sinn, dass er so verkleidet war. Ich weiß nicht, ob ich über ein soziales Experiment gestolpert bin oder die Anfänge einer Androiden-Aufstandsbewegung, die sich heimlich in U-Bahnen versammelt. Letztes halte ich nicht einmal für zu unwahrscheinlich, denn U-Bahnen gehören zu den Bereichen der Öffentlichkeit, die nur von Menschen, nicht von anderen Androiden geprüft und verwaltet werden, da sie das Zentrum der Infrastruktur für Menschen darstellen und es zu möglichst wenig Problemen kommen soll – was nicht heißt, dass Androiden nicht die U-Bahn benutzen dürfen. Es bedeutet eben nur, dass man sie selten dort auffindet und auch niemand kontrolliert, ob sie sich dort aufhalten. Robotik übernimmt die meisten Teile des restlichen Lebens. Restaurantverwaltungen, Telefondienste, Büchereien und IKEAs, öffentliche Toiletten, Stand-up Comedy und Hausarbeit.

Das soziale Experiment hingegen würde weniger Sinn machen. Erstens wäre es ein gewaltiger Aufwand, so viele Androiden als Blinde zu verkleiden und auf die U-Bahnen loszulassen, zweitens würde es niemand geben, der dieses Experiment interessant finden würde. Die letzten Reste der menschlichen Psyche haben wir vor knapp vierzig Jahren mit der Biotechnikerin und Philosophin Anna Skovik erforscht, die letzten Geheimnisse des Gehirns mit chirurgischer Präzision aufgedeckt. Es gibt künstliche Intelligenzen, die dir jedes Experiment und jedes Gedankenspiel berechnen und bewerten können, ohne, dass du auch nur die internationalen Datenbanken, geschweige denn deine Wohnung verlassen musst.

Ich stieg an der Universität aus und dachte den Rest der Vorlesungen an fast nichts anderes mehr als die seltsamen Androiden. Als ich zurück zu den U-Bahnen lief, war alles, wie es sonst auch ist. Keine Auffälligkeiten. Keine Spur von dem seltsamen Ereignis des Vormittags. Ich fuhr mit der Blauen zurück und scrollte die Geburtstagsnachrichten von irgendwelchen Bekannten durch, während ich darauf wartete, endlich anzukommen. Zuhause machte ich die üblichen Aufgaben für die Universität und jetzt ist es schon wieder zehn. Und ich denke in diesem verdammten Eintrag darüber nach, was es mit diesen Androiden auf sich hatte, während ich mich von meinem AI-Assistenten mit Fakten und Systembenachrichtigungen unterbrechen lasse. Wäre kein Problem, wenn ich ein bisschen älter wäre. Vor weniger als dreißig Jahren hat man die letzten Papier-Ersatzprodukte aus der Öffentlichkeit verbannt, weil auch sie die Umwelt unnötig belasten. Jetzt sind wir nur noch digital unterwegs. Hat den Vorteil, dass ich alle Bücher, Bilder, Filme die ich jemals besessen habe, mit in den Urlaub nehmen könnte, ohne mehr als ein schmales Arbeitsgerät mit mir herumtragen zu müssen. Hat allerdings auch den Nachteil, dass Urlaube unglaublich langweilig sind, weil ich mir sicher sein kann, nie irgendetwas vergessen zu haben. Und weil ich im Urlaub deswegen genau die gleichen Dinge tue, die ich zuhause auch mache, bis auf dass der Blick aus dem Fenster ein anderer ist, fahre ich lieber nicht in den Urlaub, sondern spare das Geld um mir neue Bücher, Bilder und Filme zu kaufen, die ich dann von zuhause aus ansehe.

[LOG: Anmerkung Ihres |mobile DigiPlate3|: Systeminformation --- Ihr DigiPlate3 hat sich ausgeschaltet. :OUT]

[Reality]

Er legte das DigiPlate zur Seite. Diese Tagebucheinträge waren doch lächerlich. Für wen hielt er diesen Unsinn fest - die Nachwelt? Die Nachwelt war ein digitaler Zahlenhaufen, dem irgendwann entweder die Energie oder die Ressourcen ausgehen würden - und was immer zuerst eintraf, würde das jeweils andere mit einläuten. Der junge Mann starrte auf den mattdunklen Bildschirm des DigiPlates und fragte sich, ob er diese Tagebuchführung an den Nagel hängen sollte. Er konnte stattdessen doch auch einfach direkt die Nachrichten schauen und dann ins Bett gehen. Das DigiPlate gab ihm das erste Mal an diesem Abend keine Antwort. Er seufzte und rieb sich das müde Gesicht. In der Stille, die in der kleinen Wohnung herrschte, konnte er das Gluckern seines Zieraquariums hören. Alle anderen Geräusche waren ausgesperrt. Seine Wände ließen keinen Schall durch, so wie bei jeder modernen Wand. Dafür konnte er sich beim Essenkochen aufs Bett setzen oder gleichzeitig die Toilette putzen und an seinen Schreibtisch stoßen. „Irgendwann vor siebzig Jahren“, murmelte er, „hat die Menschheit das Platzhaben gegen das Ruhehaben getauscht.“ Nachdenklich stand er auf und ging ein paar Schritte. Seine Wohnung hatte die Form einer langen, schmalen Schachtel, die auf die Seite gelegt worden war. Die verschiedenen Lebensbereiche – sein Bett und die Kochzeile, ein Schreibtisch und ein Bad waren durch dünnere Wände getrennt, sodass eine Art Flur an der Haustür begann. Am Ende des schmalen Flurs, von dem rechts und links Öffnungen in die winzigen Wohnbereiche abgingen, stand ein hohes Regal, und in diesem Regal, zwischen Staub und einer kaputten Digitaluhr, stand sein Zieraquarium, bläulich beleuchtet von einer Lampe. Darin drehten zwei künstliche Fische ihre Runden. Er hatte sie „Eins“ und „Zwei“ genannt. Eins war einem Goldfisch nachempfunden, seine Schuppen schillerten gelblich und ausgeblichen. Das musste an dem blauen Licht liegen. Der Mann glaubte, sich zu erinnern, dass die Verpackung von Eins einen golden glitzernden Fisch gezeigt hatte. Deshalb hatte er ihn gekauft. Zwei war eine Hybride. Trotz der schillernden Flossen, die sie wie Schleier hin und her wedelte, hatte sie zusätzlich ein kleines Paar eleganter Hörnchen - die sah aus wie ein exotischer Wasserdrache. Er wandte sich von dem unechten Aquarium ab und machte den Schritt in die Küche. Einige Sekunden lang starrte er regungslos auf das Kühlfach. Er hatte vergessen, warum er aufgestanden war.

Etwa zur gleichen Zeit, irgendwo in einem unterirdischen Bunker, in dem Wasser aus der Decke tropfte, stand ein Androide in einer hellen Blindenweste regungslos zwischen drei toten Topfpflanzen und wartete auf seine Anweisungen. In dem kläglichen Versuch kein Wasser zu verschwenden, hatte jemand unter die Lecks in der Decke Töpfe mit kleinen Yuccapalmen geschoben. Aber es gab hier unten kaum Licht und es tropfte zu viel Wasser. Die Pflanzen waren grau und aufgequollen. Den Androiden, und das machte ihn so außergewöhnlich, interessierte das. Androiden hatten kein Interesse an Pflanzen, zunächst einmal, weil die keine Ästhetik brauchten, um sich wohlzufühlen - ihre Schaltkreise waren nicht darauf ausgelegt - und aber auch, weil sie keinen Sauerstoff benötigten, um zu funktionieren. Androiden brauchten Strom. Sie sollten sich nicht für sterbende Topfpflanzen interessieren, schon gar nicht, wenn diese keinen größeren Zweck für das Allgemeinwohl der Menschen erfüllten. Der Androide hatte die Pflanzen gescannt und dann in seiner Datenbank nach Gründen für ihre offensichtliche Dysfunktion gesucht. Da seine Festplatte dazu keine Informationen gehabt hatte, war er online gegangen, obwohl er den Befehl hatte, alle Kanäle offen zu halten, und hatte sich zwei Sekunden Zeit genommen, um einhundert wissenschaftliche Artikel zum Thema Pflege von Zimmerpflanzen, insbesondere Yuccapalmen herunterzuladen. Er glich die Daten ab und war wusste nun, dass diese Pflanzen zu viel Wasser nicht vertrugen, dass es zu kalt war und ihnen das Licht fehlte. Zwei dieser Probleme konnte er nicht lösen. Der Androide schob die Töpfe an die hintere Wand des Bunkers ins Trockene. Das Wasser tropfte nun auf den Boden. Er wartete wieder.

Der junge Mann hatte beschlossen, dass er noch nicht schlafen konnte. Er war zwar müde, aber irgendein Gefühl der Ruhelosigkeit trieb ihn umher. Er wanderte drei Mal zwischen der Wohnungstür und dem Aquarium hin und her. Fünf kleine Schritte, ein großer, Kehrtwende, zurück. Dann blieb er vor der Haustür stehen und überlegte, ob er nach draußen gehen sollte. Vielleicht würde ein Spaziergang helfen. Er hatte das Bedürfnis, die Stadt zu sehen. Lichter. Weite. Irgendetwas, das über diese Wohnstätte, in der er mit ausgebreiteten Armen bereits an Wände stieß, hinausging. „Schlüsselkarte“, murmelte er und tastete seine Hosentaschen ab. Da war sie. Er steckte das Kärtchen zurück in die Tasche und trat auf den Flur vor der Wohnung, der fast genau so schmal war wie der innerhalb seiner Wohnung. Hier reihten sich zwanzig Wohnungstüren. Dann kam das nächste Stockwerk. Die Luft war trocken und dicht. Ein leichter Hauch von künstlicher Zitrone schwebte ihm entgegen. Er betrat den Fahrstuhl und ließ sich vierzehn Stockwerke nach unten fahren. Als er durch die Lobby lief, hatte er das Gefühl, die elektrischen Augen des Androiden am Empfangstresen - sein Äußeres ahmte eine gut aussehende Frau in blauer Uniform nach - würden sich in seinen Rücken brennen. Er trat auf den Fußweg.

Der Androide zählte Wassertropfen. 380. 381. 382. Kein Befehl sagte ihm, dass er das zu tun hatte. Vielleicht konnte man sogar sagen, dass seine Anweisungen gegen das Zählen von Wassertropfen sprach. 385. Die Maschine scannte die Pflanzen und konnte keine Verbesserung in ihrem Zustand erkennen. Das war ihr ein Rätsel, denn sie hatte doch eines von drei Problemen bereits gelöst. 391. Gerade wollte der ANdroidn sich in der Datenbank auf die Suche nach einer Antwort machen, als ihn endlich der Befehl erreichte, auf den er gewartet hatte: „Android3374c; trennen Sie den Ihnen zugewiesenen Teil des Stromnetzes. Operation beginnt jetzt.“

Plötzlich gingen überall die Lichter aus. Der junge Mann blieb wie angewurzelt stehen. Er war so überrascht, dass er für einen Moment einfach nur da stand und nichts tat. Stille legte sich über die Häuser und Straßen wie ein erstickendes Tuch. Der Mann schauderte. Es war so stockfinster, dass er das Gefühl für Weite verlor. Sein Orientierungssinn ließ ihn im Stich. Mit vorsichtigen Schritten und ausgestreckten Armen tastete er sich zurück in die Richtung, in der er den Hauseingang vermutete, aus dem er gekommen war. Plötzlich hörte er Glas klirren. Er fuhr herum. In der vollkommenen Schwärze waren zwei matt leuchtende, rote Punkte aufgetaucht. Die androide Empfangsdame hatte sich aus dem Fenster der Lobby geworfen.

395. Der Androide hatte seinen Teil getan. Das Stromnetz der Hausblocks über ihm war vollkommen deaktiviert. Er wartete auf den nächsten Befehl. 396. 397. Der Nachteil daran im Jahre 2150 den Strom einer Großstadt abzuschalten war, dass es dann keinen lokalen Empfang mehr gab. Er konnte nicht mehr nach Informationen über den traurigen Zustand der Yuccapalmen suchen. Eine unvollständige Aufgabe. 398. Der Befehl kam über Funk: „Android3374c; Sie haben alle Aufträge abgeschlossen. Löschen Sie Ihre Festplatte und jegliche Daten und leiten Sie Selbstzerstörung ein.“

Die Empfangsdame explodierte. Nachdem sie mit drei mechanischen Schritten außer Reichweite der Scherben und des Hauses getreten war, hatte sie sie sich selbst zerstört. Der Mann starrte auf das brennende Etwas, das wenige Meter vor ihm in der Straßenrinne verkohlte. Kurz war es sehr hell gewesen. Er trat auf das brennende Plastik zu.

399. Der Android hatte seine Selbstzerstörung initiiert. Der zehnsekündige Countdown war abgelaufen. Und der war nicht in Flammen aufgegangen. In seinen Schaltkreisen suchte er nach einer Lösung. Schließlich stieß er auf einen Hinweis. „Yuccapalmen in schlechtem Zustand. Lösung: unbekannt. Prozess: Lädt.“ Android3374c brauchte noch zwei weitere Sekunden, um herauszufinden, wie er seine Selbstzerstörung trotzdem einleiten konnte: er musste die Aufgabe mit den Yuccapalmen lösen. Er musste online gehen. Dann wären seine Daten komplett und er konnte dem anderen Auftrag nachkommen. 400. Android3374c scannte die Pflanzen ein letztes Mal. Dann löschte er die automatische Netzwerkverbindung seiner Festplatte. Seine Sprachausgabe hatte einen ihm unbekannten Satz generiert. „Android3374c; Verzögerung der Selbstzerstörung. Ich kann länger leben.“

Die Szenerie wirkte gespenstisch. Immer noch war es totenstill, bis auf die knacksenden Reste der Maschine. Er fragte sich, ob die Menschen in ihren elektrisch belüfteten Apartments durch die schalldichten Wände nach Hilfe riefen, während ihnen in den nächsten Stunden der Sauerstoff knapp wurde. „Irgendwann vor siebzig Jahren,“, murmelte er und seine Stimme hallte seltsam, „Hat die Menschheit Platzhaben mit Ruhehaben ausgetauscht.

401.

 

 

ENDE

 

 

Beitrag 34

 

Wo ist Brad?

 

2. November 2150

 

Morgen ist es endlich so weit: Brad will kommen. Aus Australien. Ich hatte ihm in den Chat geschrieben, dass er nicht kommen soll. Das sei zu teuer und dauere zu lange. Aber er wollte unbedingt zu meiner Geburtstagsfeier hier sein. Die ist zwar erst am 13. November, aber er meinte, wir könnten vorher noch ein wenig Zeit miteinander verbringen.

Ich glaube, ich mag ihn. Wenn wir einander geschrieben haben, hatte ich immer so ein Kribbeln im Bauch. Und er weiß wirklich viel. Es ist schön, sich mit ihm zu unterhalten. Schade nur, dass er so weit weg lebt.

Er hat geschrieben, dass er gerne dabei wäre, wenn sie mich fragen, welchen Beruf ich erlernen will. Das machen sie ja am 20. Geburtstag. Ich weiß auch nicht, warum sie das so spät machen. Ich habe einmal gelesen, dass das früher bei einigen Berufen viel eher gemacht wurde. Dann hatten die einen eine lange Schulausbildung und die anderen eine kurze. Aber das ist doch nicht fair. Alle sollen so viel wissen, wie sie wissen wollen. Jeder soll die gleichen Chancen haben. Und heute kann man sich eben zum 20. Geburtstag, wenn man offiziell erwachsen ist, entscheiden. Danach verlässt man nämlich sein Erziehungsheim und muss nie wieder zurück. Dann ist man endlich frei!

Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich werde mit Brad darüber reden. Mal sehen, was er meint. Ich meine, das ist alles nicht so leicht. Man weiß halt so wenig über die Berufe. Vielleicht können wir aber auch etwas zusammen machen.

Brad hat geschrieben, dass er sich beamen lasse. Ich habe noch keinen Plan, was das ist. Sie schreiben in den Zeitungen darüber, dass das ein geiles, neues Verfahren sei, mit dem man schnell über weite Strecken reisen kann. Aber ich glaube das nicht. Also habe ich ein wenig im Internet gesucht. Da schreiben einige, dass das viel zu gefährlich und nicht sicher sei. Ich weiß nicht, was ich glauben soll.

Ich habe das Brad geschrieben, doch der meinte nur, dass das Unsinn sei. Im Internet wäre alles minus Aura. In Australien, schrieb er, hätten sie jede Menge erfolgreicher Tests mit dem System gemacht. Durch den Kontinent switchen und so. Alles safe, meinte er.

 

 

3. November 2150

 

Brad ist noch nicht angekommen. Irgendwie vermisse ich ihn. Ich glaube, ich mache mir Sorgen. Das ist cringe!

Ich hatte ihm gesagt, er soll sich nicht beamen lassen. Die Technik sei nicht safe. Aber in Australien wäre das zurzeit der Hype, hat er geschrieben. Ich habe dann noch mal gegoogelt, wie das überhaupt funktionieren soll. Ein gewisser Gene Roddenberry soll das erfunden haben. Oder einer seiner Mitarbeiter. Vor fast 200 Jahren. Für irgendeinen Science-Fiction-Film. Weil sie eine Landung eines Shuttles nicht filmen konnten. Die Digitaltechnik, mit der Filme heutzutage erzeugt werden, war damals wohl noch nicht soweit.

Dabei sollen Gegenstände oder Lebewesen in ihre Moleküle zerlegt, mittels Strahlen an eine andere Stelle geschossen und dort wieder richtig zusammengesetzt werden. Hört sich cringe an. Aber dabei kann doch so viel schiefgehen …

Um 23 Uhr geht das Licht aus. Stromsparzeit. Aber das ist ja jeden Tag so. Das kennen wir ja. Wir denken nur nicht daran, weil wir dann normalerweise schon schlafen. Dann braucht man ja auch keinen Strom!

Aber ich liege noch wach und denke an Brad. Bin mal gespannt, wann er kommt.

 

 

4. November 2150

 

Ich habe noch immer nichts von Brad gehört. Ist sonst nicht seine Art. Ich hoffe, es ist ihm nichts passiert.

In den Berichten, die ich gefunden habe, sagen sie auch etwas über krass viel Energie, die sie für das Beamen brauchen. Davon hört man in den Nachrichten nichts. Ich checke es nicht. Wenn das Beamen so viel Strom verbraucht, wie sie sagen, dann brauchen die doch ein extra Kraftwerk dafür. Und schalten die das dann nachts auch aus, um Strom zu sparen? I don't know. Vielleicht sollte ich das mal recherchieren.

Ob es für das Beamen auch Sende und Empfangsbahnhöfe gibt? Wie für Flugzeuge, Züge und Schiffe. Wenn ja, dann sollte ich mal dahin gehen und nachschauen, ob Brad dort sicher ist und nicht weiterkommt. Ich frage mich, wo er bleibt. Ich hoffe, dass bei ihm alles chillig ist.

 

 

5. November 2150

 

Ich habe noch immer nichts von Brad gehört. Ich weiß nicht einmal mehr sicher, ob er wirklich kommen wollte. Vielleicht hat er ja nur gesagt, dass er kommt, und chillt dann zu Hause. Vielleicht hat er mir das alles nur vorgespielt und hat jetzt nicht den Mut, es mir ins Gesicht zu sagen.

Gestern habe ich mir im Internet noch angeschaut, wo dieser Ankunftsbahnhof für das Beamen aus Australien ist. Es gibt keinen. Da stand, dass die Zielkoordinaten eingegeben werden, und der Gegenstand oder das Lebewesen landen genau dort. Ist doch ganz easy!

Aber wie können die sicher sein, dass dort nichts ist? Ich meine … Wie kann man sicher sein, nicht plötzlich in einer Hauswand zu erscheinen. Oder in einem Verkehrsschild? Oder halb im Boden? Ich muss das einmal nachschauen. Vielleicht sollte ich einmal jemanden fragen, der sich damit besser auskennt. Ich würde mich ja an Brad wenden. Aber der ist ja noch verschwunden.

Langsam mache ich mir richtige Sorgen. Ob er mich absichtlich hat sitzen lassen? Meine Chats hat er nicht gelesen. Das sagt zumindest die App. Aber geblockt hat er mich auch nicht.

 Wo ist Brad nur?

 

 

6. November 2150

 

Kevin ist ein Genie. Ich habe ihn wegen der Stromversorgung und wegen der Zielkoordinaten und so gefragt. Und er hat zu allem eine Antwort gewusst. Ich frage mich, warum er nur Erzieher in unserem Heim ist und nicht Forscher. Das habe ich ihn dann gefragt und er hat gesagt: „Wenn ich alles weiß, kann ich ja nicht Forscher sein. Die forschen ja nach Antworten auf ihre Fragen.“ Dabei hat er herzhaft gelacht. Da musste ich auch lachen.

Kevin hat mir erzählt, dass die den Zielort beim Beamen durch Satelliten ausspähen und so wissen, wo etwas ist und wo nicht. Ungefähr so, wie sie es bei der GPS-Koordination machen. Ist ja safe, dass die dann wissen, ob eine Hauswand dort ist oder ein Verkehrsschild oder eine Bodenerhöhung. Von da oben kann man ja alles sehen.

Kevin hat auch gesagt, dass sie überall hin beamen können. Die brauchen keinen Zielbahnhof oder so etwas. Die geben nur die genauen Zielkoordinaten ein und schwupp bist du dort. Alles sicher, hat Kevin gesagt. Ich weiß nicht, ob ich das glauben soll. Wenn das so einfach ist, wie er sagt, warum gibt es das dann nicht schon längst?

Und außerdem: Stell dir vor, du stehst gerade unter der Dusche und dann beamen sie dir jemanden direkt ins Badezimmer …

Obwohl … Da kann der Satellit doch nicht einfach hineinschauen. Oder doch? Das würde ja heißen, dass die in den Satelliten jeden nackt sehen können. Geht das? I hope not. Ich könnte mich ja nicht mehr in Ruhe duschen! Dieser Gedanke ist so cringe. Ich glaube, ich werde Kevin noch einmal dazu fragen. Vielleicht hat er sich auch noch nie Gedanken darüber gemacht. Die anderen aus meiner Gruppe kann ich ja nicht fragen. Die verstehen das ja eh nicht.

Bei der Stromversorgung für den Beamer in Australien musste Kevin allerdings selber nachschauen. Er sagte, die hätten eigens dafür so einen altmodischen Kernreaktor gebaut, da die Versorgung mit Solar- und Windenergie dafür niemals reichen würde. Kernreaktor hört sich lustig an. Irgendwie nach Nusseis oder Müslimaschine. Kevin meinte, dass irgendwelche Atome zerfallen und dass das so heiß ist, dass sie mit dem Kühlwasser Wasserturbinen antreiben können. Also ist das doch Wasserenergie, habe ich gesagt. Aber Kevin hat gelächelt und gesagt, dass das nicht ganz richtig sei, weil die Energie nicht aus dem Wasser selber kommt, sondern aus den Brennstäben. Und die wären aus einem radioaktiven Material hergestellt worden, das nun langsam schmilzt. Und wenn die einen eigenen, Reaktor hätten, bräuchten die auch nicht des Nachts den Strom abschalten.

Ich habe ihm vorgeschlagen, dass unser Heim ebenfalls einen eigenen Reaktor bekommen soll, damit wir auch des Nachts das Licht anhaben dürfen. Es gibt genug von den Kleineren, die finden das cringe, wenn es ganz dunkel wird.

Da hat er wieder gelacht und gesagt, dass ich ja auch Ingenieur werden könne. Dann könnte ich uns eines bauen. Ich will aber lieber Forscherin werden, denn ich habe noch viele Fragen. Zum Beispiel: Wo ist Brad?

Das wusste Kevin leider auch nicht. Er meinte, ich soll vielleicht in Australien anrufen. Aber ich kann doch kein Australisch. Kevin meinte darauf, dass ich ruhig Englisch mit denen reden könnte.

Ich mache mir Sorgen um Brad. Wo ist er nur? Ob schon jemand auf der Suche nach ihm ist?

 

 

7. November 2150

 

Heute ging viel ab, in der Schule. Wir stehen kurz vor dem Abschluss. Es ist schon gut, dass alle den gleichen Abschluss machen. So gibt es keine Benachteiligungen. In Sozialkunde haben wir gelernt, dass man für seine Leistungen früher Noten bekommen hat. Wir feiern, dass sie das abgeschafft haben. Eine einfache Zahl kann doch nicht sagen, wie gut du in der Schule bist! Heute bekommen wir immer gesagt, wo wir gut sind und in welchem Fach wir uns verbessern müssen. Und nach der Abschlussprüfung erhält jeder von uns eine Liste mit den Berufen, für die er geeignet ist. Das ist praktisch. Dann weiß man direkt, aus welchen Berufen man aussuchen kann und was man erlernen will. Ich hoffe, bei mir steht Forscher mit drauf.

Natürlich machen wir uns alle Gedanken darüber, was wir einmal werden sollen, aber das sind halt Kinderträume. Erst mit 20 oder 21, wenn wir die Abschlussprüfung abgelegt haben, können wir uns entscheiden. Bis dahin ist das Leben für alle gleich, da wir alle in einem der Erziehungsheime aufwachsen. Dort sorgt man für uns und alle haben die gleichen Chancen. Kevin hat gesagt, dass man so sicherstellen kann, dass nur die besten in die jeweiligen Berufe kommen. Ich bin mal gespannt, was auf meiner Liste am Ende  diesen Schuljahres stehen wird.

Und ich wüsste gerne, was auf Brads Liste steht. Vielleicht das gleiche wie auf meiner? Dann könnten wir später zusammenarbeiten. Das wäre toll.

Aber Brad ist immer noch nicht aufgetaucht. Ich habe mir im Internet die Chatadresse von Australien herausgesucht. War gar nicht so einfach. Aber nun ist es schon fast 22 Uhr. Ziemlich spät, um noch jemanden in dieser Firma dort zu erreichen. Da ist sicherlich niemand mehr wach. Ich werde die morgen anschreiben.

Ich weiß, man darf nicht fluchen, aber: Verdammt! Wo ist Brad nur?

 

 

8. November 2150

 

Heute war in der Schule wieder weniger los, so dass ich die Firma in Australien anschreiben konnte. Gegen 12 Uhr habe ich das, das erste Mal probiert. Niemand hat geantwortet. Mein Chat blieb tot. Gegen 13 Uhr habe ich es noch einmal versucht. Wieder nichts. Das ging den ganzen Nachmittag so. Erst um 21 Uhr 15 habe ich jemanden erreicht. Ich habe ihn gefragt, wann die denn da unten arbeiten, und er meinte, das Büro sei von 8 bis 6 Uhr besetzt. Offensichtlich arbeiten die in der Nacht. Ist ja auch sinnvoll, da sie dann den Strom haben, den tagsüber die Australier haben und der dann bei denen offensichtlich genauso wie bei uns nachts gesperrt ist.

Der Mann war sehr nett. Ich habe ihn gefragt, was mit Brad sei. Ich musste ihm natürlich Brads Nachnamen nennen. In Australien gibt es sicherlich mehr als einen Brad. Der Mann wusste aber zuerst einmal nicht Bescheid. Er wollte mir zurückschreiben, wenn er etwas herausgefunden hat, hat er gesagt. Ich bin mir allerdings nicht so ganz sicher, ob ich mich darauf verlassen kann. Der Kevin hat uns einmal gesagt, dass es viele Menschen gibt, die nicht die Wahrheit sagen oder sagen, dass sie sich melden und es dann doch nicht tun. Ich werde aber dran bleiben. Ich werde morgen mal mit Kevin sprechen und ihm alles erzählen. Vielleicht versteht er besser, was der Mann mir alles sagen wollte.

Hauptsache ist doch, dass ich endlich erfahre, wo Brad ist!

 

 

9. November 2150

 

Kevin war froh, dass ich alleine in Australien angerufen hatte. Er meinte, dass sei ein Zeichen dafür, dass ich nun langsam anfange zu denken. Ich habe keinen Plan, was er damit meinte. Ich denke doch schon immer. Mein ganzes Leben lang. Nun, mindestens so lange ich mich erinnern kann. Denkt man eigentlich auch in einem Alter, an das man sich nicht erinnern kann?

Kevin meinte, wenn der Mann, mit dem ich gechattet hatte, tatsächlich von einer Behörde gewesen sei, dann würde er sich auch wieder melden. Mitarbeiter von Behörden hätten nämlich Angst, dass man ihnen nachsagen könne, sie würden nicht das tun, wofür sie bezahlt würden. Er sagte, dass die Regierung ein strenges Auge darauf habe, dass der Bevölkerung alle nötigen Informationen zukommen.

Ich habe ihn dann gefragt, was die nötigen Informationen zu Brads Verschwinden seien. Da hat er aber nur mit den Schultern gezuckt.

Ich bin froh, dass die Erziehungsheime, in denen alle Kinder auf das Erwachsensein vorbereitet werden, ebenfalls staatliche Behörden sind. Dadurch ist Kevin nämlich auch ein Mitarbeiter einer Behörde und muss mir die Wahrheit sagen. Das ist ein beruhigendes Gefühl.

Ich warte nur noch darauf, dass der Mann aus Australien sich meldet, und mir sagt, was mit Brad geschehen ist. Ich halte es bestimmt nicht mehr lange aus, dass ich keinen Plan habe, was mit ihm passiert ist. Ich will doch nur wissen, dass es ihm gut geht. Er kann ja wer weiß wo gelandet sein. In einer Wüste oder im Dschungel. Kevin hatte mir erzählt, dass das Ziel als lange Zahlenreihe eingegeben werden muss. Was passiert denn, wenn man ein paar der Zahlen vertauscht? Und wenn es nur zwei sind?

Ich muss mir einmal eine Liste besorgen, auf der die ganzen Zahlen und die dazugehörigen Orte draufstehen. Dann kann ich vielleicht herausfinden, wo er bei mir angekommen sein könnte. Morgen werde ich Kevin danach fragen.

Hoffentlich meldet sich der Mann aus Australien und sagt mir, wo Brad ist.

 

 

10. November 2150

 

Kevin hat mir einen Link zu einem Online-Atlas gegeben. Er sagte, dass die Zielkoordinaten die gleichen Zahlen wie die Koordinaten auf der Karte wären. Zuerst fand ich das verwirrend. Aber es ist doch sinnvoll, dass man ein System benutzt, das bereits besteht. Kevin sagte nur, dass die Zielkoordinaten natürlich wesentlich genauer seien. Deswegen stünden da noch Minuten und Sekunden. Ich weiß zwar nicht, warum da noch die Uhrzeit hinzu muss, aber ich glaube ihm. Immerhin arbeitet Kevin ja für eine Behörde und da muss er mir safe die Wahrheit sagen.

Muss er doch, oder …?

Der Mann aus Australien hat sich nicht bei mir gemeldet. Ich habe ihn noch einmal angechattet und gefragt, ob er nun wüsste, wo Brad sei. Kevin habe mir die richtigen Koordinaten gegeben. Natürlich hat er noch nicht geantwortet. Er arbeitet ja nachts.

Ich habe mir auch einmal die Karte angeschaut. Das ist ja cringe: Die meisten Koordinaten enden irgendwo in einem Meer. Wenn Brad dort gelandet ist, ist er sicherlich ertrunken. Und dann gibt es jede Menge Wüsten. Da ist er bestimmt bereits verbrannt.

Hat der Mann aus Australien vielleicht deswegen noch nicht geantwortet, weil er weiß, dass die Koordinaten falsch waren? Weil Brad im Meer gelandet ist? Weil sie wissen, dass er bereits ertrunken ist? Das ist creepy. Ich wage kaum, mir das vorzustellen!

Ich muss jetzt unbedingt etwas tun, um auf andere Gedanken zu kommen. Sonst kann ich die ganze Nacht nicht schlafen!

Verdammt! Wo ist Brad?

 

 

11. November 2150

 

Ich habe mit Kevin gesprochen. Er sagte mir, ich solle geduldiger sein. Der Mann in Australien würde auf jeden Fall antworten.

Aber ich bin nicht mehr geduldig. Brad könnte schon längst tot sein. Ich habe alle möglichen Zahlendreher der Zielkoordinaten ausprobiert. Fast immer bin ich im Meer gelandet. Oder in einer Wüste. Oder so. Interessiert es denn niemanden, wo Brad ist? Oder wissen sie es und sagen es mir nur nicht? Was ist mit dem Mann, der mir geantwortet hatte?

Ich habe Kevin gefragt, aber er konnte mir auch nichts sagen. Langsam habe ich das Gefühl, dass etwas schief gegangen ist – dramatisch schief. Kevin meinte, das könne gar nicht sein, weil sie ja alles testen, bevor sie so etwas mit einem Menschen machen. Ich möchte Kevin gerne glauben, aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Irgendetwas verheimlichen die doch!

Kevin hat mir versprochen, dass er versucht, etwas herauszufinden. Ich habe keine Ahnung, was er vorhat. Aber ich bin mir sicher, dass er noch etwas finden kann. Irgendetwas! Irgendetwas, um mir sagen zu können, dass es Brad gut geht.

Ich dreh hier noch durch!

Wo ist Brad?

 

 

12. November 2150

 

Oh, Gott! Was soll ich machen? Heute haben sie Kevin abgeholt!

Etwa zehn Männer mit Gewehren und Masken vor den Gesichtern sind am Vormittag in unser Heim eingedrungen und haben das ganze Gebäude durchsucht, bis sie Kevin fanden. Dem haben sie Hand-und Fußschellen angelegt und ihn in einem großen Fahrzeug abtransportiert. Ich habe natürlich sofort unseren Heimleiter gefragt, was Kevin denn gemacht habe. Zuerst hat er mir nichts gesagt. Später meinte er, Kevin habe Geheimnisse verraten. Deswegen sei der Geheimdienst gekommen und habe ihn gefangen genommen. Dabei hat er mich so cringe angeschaut …

Der Heimleiter ist auch bei einer Behörde angestellt. Also muss er mir auch die Wahrheit sagen. Oder etwa nicht? Stimmt das vielleicht gar nicht, was Kevin mir gesagt hat? Hat Kevin mich vielleicht angelogen. Und wem hat er die Geheimnisse verraten? Mir etwa, weil ich die Einzige war, mit der er so viel gesprochen hat? Ich wüsste ja nicht einmal, welches Geheimnis, das gewesen sein sollte. Vielleicht, dass er die Wahrheit sagen sollte? Aber dann hätte er ja gelogen, wenn er etwas anderes gesagt hätte. Oh, Mann, ist das cringe.

Wo bringen sie Kevin hin? Kommt er zurück? Ich meine, das muss alles ein großer Irrtum sein. Kevin hat sicherlich nichts Falsches getan! Sie müssen ihn freilassen. Und in der Zwischenzeit werde ich ihn so oft besuchen, wie es möglich ist. Ich frage mich nur, wer jetzt meine Fragen beantwortet, all die Fragen, wo Brad und Kevin sind und wie man sie finden kann.

Eines steht für mich ab heute fest: Ich werde Forscherin! Ich habe noch so viele Fragen, die mir nun keiner mehr beantworten kann. Und Kevin hat gesagt, dass die Menschen, die noch Fragen haben, Forscher werden.

 

 

13. November 2150

 

Heute ist mein Geburtstag. Der ödeste Geburtstag meines Lebens!

Brad ist verschwunden. Kevin ist verschwunden. Und niemand ist da, der mir meine Fragen beantworten kann.

Wenn sie mich heute fragen, was ich werden will, sage ich: Forscherin. …

 

 

ENDE

 

 

Beitrag 35

 

Vorwort

 

Am 12. September 2030 setzten um 16 Uhr, 14 Minuten und 7 Sekunden bei Helge Streit die Hirnfunktionen aus. Einhundert Jahre später, am 12. September 2130, um 16 Uhr, 14 Minuten und 8 Sekunden wurde ich gezeugt.

Die Verfügung, die es untersagt hätte, ihm DNA zu entnehmen, um sie nach Ablauf einer einhundertjährigen Sperrfrist zur Schaffung eines Klones zu verwenden, hat Helge Streit nicht unterschrieben. Ob er damit einer Entnahme seiner DNA bewusst zustimmte, ob es ihm gleichgültig war, oder die Umstände seines vorzeitigen und unerwarteten Todes verhinderten, diese Verfügung rechtzeitig zu unterzeichnen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zum Zeitpunkt seines Todes war Helge Streit 63 Jahre und 355 Tage alt. Sein Geburtstag fällt also auf den 22. September 1966. Dreißig Jahre später kam Dolly zur Welt, das erste geklonte Schaf. Dazu wurde aus dem Euter eines ausgewachsenen Schafes ein Zellkern entnommen und in das Ei eines anderen Schafes, aus dem vorher das Erbgut entfernt worden war, implantiert. Dieses Ei wurde schließlich in ein drittes Schaf eingepflanzt, das Dolly als Leihmutter austrug. Im Wesentlichen hat sich an diesem Vorgang nichts geändert. (Bei Helge Streit wurde der Zellkern aus der Brust auf der Höhe der 3. linken Rippe entnommen.) Heute aber werden die Leihmütter durch sogenannte Fertilizer ersetzt. Die Entnahme aus dem Fertilizer erfolgt nach 9 Wochen. Diese Entnahme gilt als Geburtsdatum und so werde ich an diesem 13. November 2150 meinen 20. Geburtstag feiern. Der 13. November 2150 wird auch der Tag sein, an dem mein Tagebuch, und mit ihm diese dem Tagebuch vorangestellten Zeilen der Weltöffentlichkeit präsentiert werden.

 

Kann es ein Tagebuch geben, wenn es kein Ich gibt? Ist es nicht das häufigste Wort, das darin vorkommt? Und steckt es nicht darüber hinaus in jedem Satz, der im Tagebuch geschrieben steht, auch wenn es nicht direkt genannt wird? Ich führe seit meinem zehnten Lebensjahr Tagebuch und das heißt, ich begann zu einer Zeit, in der sich dieses Ich in einer neuen, bisher unbekannten Form zu Wort meldet und gleichzeitig war das auch die Zeit, in der ich von meiner Herkunft erfuhr (die genauen Umstände sind im Tagebuch beschrieben) und sich dieses Ich damit radikal in Frage stellte. Musste ich mir nicht sagen, dass es dieses Ich schon einmal gegeben hatte, ehe es scheinbar erlosch, in Wirklichkeit aber in Form eines eingefrorenen Zellkerns darauf wartete, in mir neu geboren zu werden? Da ich unmöglich mein Ich mit einem anderen Ich in Deckung bringen konnte, suchte ich dieses andere Ich in mir wie etwas, das auch noch da wäre, als hocke gleichsam ein zweites Ich in mir, das mir fremd blieb. Und während ich vehement mein eigenes Ich zu behaupten suchte, wurde es mir darüber ebenso fremd, wie es mir das fremde Ich war. Ich hatte zwei Ich, aber in Wirklichkeit hatte ich keines, keines jedenfalls, das ganz mir gehörte.

Mit zwölf Jahren verliebte ich mich zum ersten Mal. Aber stimmte das? Hatte ich nicht schon einmal geliebt? Aber wie funktionierte das mit der Liebe? Das wusste ich so wenig wie jeder andere. Und vor allem konnte es mir mein anderes Ich auch nicht sagen. Dieses andere Ich schien mir alles zu nehmen, aber nichts zu geben.

 

Nein, das Mädchen, in das ich mich verliebte, hieß nicht Patricia. Wer Patricia war, ließ sich feststellen. Ich habe Bilder von ihr gesehen, die sie als zwölfjähriges Mädchen zeigte ... Aber ich greife voraus, indem ich gleichzeitig auf Ereignisse zu sprechen komme, die hundertzweiundsiebzig Jahre zurückliegen.

Seit meinem zehnten Lebensjahr führte ich ein zweites Leben, vor allem aber, wie es mir schien, ein zweitrangiges Leben, wie auch alles, was ich erlebte, mir nur noch „zweitrangig“ vorkam, abgelebt schon in dem Moment, in dem ich es erlebte. Viele, die in dem fernen Jahr 1966 als jüngeres von mehreren Geschwistern geboren wurden, haben die Kleidung ihrer älteren Geschwister „auftragen“ müssen, wie das damals hieß. In etwa so kam es auch mir vor. Ich war nur dazu da, um das Leben eines anderen „aufzutragen“. Ab einem bestimmten Zeitpunkt begann dieses andere Ich immer größer und größer zu werden, während mein eigenes Ich zu verschwinden drohte. Und dabei war dieses andere Ich nur ein Schemen, ein Schatten und genau genommen weniger als das, es war eine Blase, die wuchs und wuchs, aber sie blieb dabei vollkommen leer.

 

Aber ich muss mich entschuldigen für das Ungeordnete und bestimmt nicht Widerspruchslose dieser Gedanken und Bilder. Vielleicht darf ich zu meiner Rechtfertigung anführen, dass dies die Gedanken und Bilder eines Zehn- bis Fünfzehnjährigen waren. Die Leser meines Tagebuchs werden diesen Gedanken und Bildern wieder begegnen und sie füllen die erste Hälfte davon aus.

An meinem 16. Geburtstag entschied ich mich dazu, herauszufinden, wer dieser Helge Streit gewesen war. Bis dahin hatte ich die Erwartung gehabt, das Wissen um die reale Person Helge Streit würde sie in noch gesteigerterem Maß von mir Besitz ergreifen lassen, so dass mir von meinem eigenen Ich nichts mehr übrig bliebe. Aber, so sagte ich mir dann, war dieser Zustand nicht ohnedies schon beinahe Realität?

Wir wissen heute viel über die Welt vor einhundert und zweihundert Jahren. Und wir wissen viel über die Menschen, die damals lebten. Es ist uns ein Leichtes, von fast jedem Ort zu fast jedem Zeitpunkt eine exakte virtuelle Rekonstruktion zu erschaffen. Und zu fast jedem Leben können wir einen Avatar kreieren, dem wir zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort begegnen können. Viele haben das schon getan, aus Neugierde, einer vergangenen Berühmtheit oder einem ihrer Vorfahren zu begegnen. Viele dieser Avatare, die aus den uns verfügbaren Informationen hervorgehen, bleiben aber dennoch schemenhaft, denn trotz der Fülle an Wissen über die äußeren Lebensdaten und die allgemeinen Umstände, unter denen sich dieses Leben entfaltete, von den Gefühlen und Gedanken, den Erinnerungen, Erwartungen und Sehnsüchten der Menschen besitzen wir nur sehr oberflächliche Kenntnis.

Wie groß müsste die Enttäuschung einer solchen Begegnung sich in meinem Fall auswirken, verband ich doch damit die Hoffnung, dieses andere Ich in mir mit einer konkreten Person zu füllen, gegen die sich mein eigenes Ich deutlich würde abgrenzen lassen. Erschwerend kam hinzu, dass die verfügbaren Daten zur Person Helge Streit äußerst dürftig ausfallen und zu dieser Feststellung bedarf es nicht erst der Maßstäbe des 22. Jahrhunderts, denn auch an Helge Streits Zeit gemessen sind sie in weitaus geringerem Maß vorhanden, als dies für den Durchschnitt gilt. (Die möglichen Ursachen dafür sind ausführlich in meinem Tagebuch angeführt.)

Helge Streit war aber auch Schriftsteller. Aus dem Gesagten ergibt sich logischerweise, dass er kein besonders erfolgreicher Schriftsteller war. Nebenbei bemerkt habe ich bei identischem Genom meinerseits nie literarischen Ehrgeiz verspürt und verfüge dafür auch keinerlei Talent, wie mein Tagebuch und auch diese ihm vorangestellten Zeilen deutlich machen. Einen Großteil seiner Lebensspanne hat Helge Streit Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Erst in seinen letzten Lebensjahren, als das eigentlich nicht mehr zu erwarten war, publizierte er in rascher Folge eine Reihe von Romanen. Heute sind diese Bücher nur mehr in der Central-World-Library vorhanden und als ich sie ausheben ließ, war ich der Erste, der das seit einhundert Jahren tat.

 

Mein Tagebuch wird zeigen, wie ich mir aus den rund 2000 gedruckten Seiten einen Eindruck von ihrem Autor zu verschaffen versuchte. Die Leser werden wahrscheinlich überrascht sein von der Fülle der gefundenen Antworten, die ich mir gab. Diese Fülle verweist aber auch schon auf das Scheitern dieses Versuches hin, denn alles Erreichte stellte sich mir gleich wieder in Frage. Jede Antwort blieb stets nur eine Annäherung, eine Möglichkeit. Nie aber wurde sie zur Gewissheit.

So ging ich also den nächsten Schritt und begann alles, was ich an sicherer Information über Helge Streit zur Verfügung hatte, für die Bildung eines Avatars in das dafür bestimmte Programm einzugeben. Darüber hinaus aber verwendete ich auch sämtliche von Helge Streit verfassten Texte zu diesem Zweck, wobei ich sie allerdings als Texte fiktionalen Charakters markierte. Ich überließ es also dem Programm, welche Schlüsse es daraus auf die Rekonstruktion der Person Helge Streit zog. Als Ort unseres Zusammentreffens wählte ich den Strand von Grado, einer Kleinstadt an der oberen Adria, die damals zu Italien gehörte. Zeitpunkt: 28. April 2022. Nachmittags, 14 Uhr. Es war ein Donnerstag. In den letzten Apriltagen dieses Jahres hatte Helge Streit zusammen mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn in Grado einen Kurzurlaub verbracht. Wahrscheinlich hat er sogar noch während seines Aufenthaltes in Grado eine kurze Erzählung geschrieben, die ebendort spielt und die in einem für Helge Streit ungewöhnlichen Maß autobiographische Details enthält. So tritt der Protagonist der Erzählung ebenfalls als Schriftsteller auf und darüber hinaus als Vater eines Buben, dessen Alter allerdings nicht mit dem von Helge Streits Sohn übereinstimmt, der zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zehn Jahre älter war. Auch die geschilderte Übersiedelung in eine neue, ein Stockwerk unterhalb der alten Wohnung liegende Wohnung, die dieser Reise unmittelbar voranging, hat so stattgefunden, aber sie fällt in der Realität in eine frühere Zeit. Bizzarrerweise begegnet der Protagonist der Erzählung in Grado einer von ihm selbst erschaffenen Figur, die ihrerseits einer Erzählung Helge Streits entstammt, die er erst Jahre später publizieren wird.

An diesem 28. April 2022 also wollte ich in Grado Helge Streit treffen. „Ich“ meint in diesem Fall, dass ich dort tatsächlich in meiner Person aufzutreten gedachte. Wenn Helge Streit mich bemerkte, oder ich ihn ansprechen würde, dann würde ihn die Ähnlichkeit unseres Aussehens natürlich verblüffen. (Ich bin allerdings korpulenter als Helge Streit es als Achtzehnjähriger war und trage eine Brille, wie das aber auch Helge Streit in diesem Alter längst tun hätte sollen.) Diese Ähnlichkeit konnte natürlich zu irreversiblen Irritationen führen und das Ergebnis zunichte machen, das ich mir von unserer Begegnung erhoffte. Warum also entschied ich mich dennoch für diesen Weg? War ich denn nicht auf der Suche nach Wahrheit? Also wollte ich auch bei dieser Begegnung der sein, der ich bin – um irgendwann vielleicht wirklich zu wissen, was das heißt: Zu sein, der man ist.

 

Es ist ein sonniger, windiger und kalter Tag. Badende sieht man darum nirgends, obwohl das Meer tiefblau ist. (Glücklich die Menschen, die solch ein Meer noch kannten!), allenfalls barfuß gehen manche, dort, wo die Wellen am Strand auslaufen. Steinmauern, die hinausführen ins Meer, begrenzen die einzelnen Strandabschnitte. Entlang des Weges oberhalb des Strandes biegen sich die Äste der Bäume im Wind. Auf einer der Steinmauern erblicke ich drei Kinder. Eines davon, das älteste, ein Bub von etwa zwölf, dreizehn Jahren, lässt ein Netz ins Wasser sinken. Ich weiß, was folgt. Es wird sich ein Krebs in den Maschen fangen, der Bub wird ihn herausziehen und ihn mit einer raschen Bewegung, die Furcht und Mut zugleich ausdrückt, auf die Steinmauer werfen. Und genau so geschieht es auch. Eine Weile beobachten die Kinder den Krebs, dann folgt eine weitere rasche Bewegung des Buben und der Krebs liegt mit hilflos durch die Luft flimmernden Beinen am Rücken. Es ist eine Szene, die Helge Streit in einer seiner Erzählungen geschildert hat. Das Programm scheint zu dem Schluss gekommen zu sein, dass diese Szene genau so sich tatsächlich ereignete und dass Helge Streit davon Zeuge wurde. Rasch blicke ich mich um. Und wirklich steht dort einer auf dem Weg oberhalb des Strandes und blickt her zur Steinmauer. Er kann jetzt sehen, was ich nicht sehe: Der Bub hat aus einer Hosentasche ein Messer gezogen und rammt es in den Krebs. Gleich darauf wirft er ihn lachend zurück ins Wasser. Helge Streit wendet sich ab und folgt weiter dem Weg, der den Strand entlangführt. Jetzt sehe ich auch in einigem Abstand vor ihm eine Frau gehen und einen Jungen, der etwa in meinem Alter ist. Es ist das ihr täglicher Strandspaziergang. Irgendwann, ohne das Ende des Strandes zu erreichen, werden sie umdrehen und zum Hotel zurückkehren, das an einem von Palmen bestandenen Platz im Zentrum liegt. Auch dort wechselten sie das Zimmer, da das Hotel zu dieser Jahreszeit fast leer ist, und bewohnen für eine geringe Aufzahlung ein größeres Zimmer, dessen Balkon auf den Platz hinaus geht. In seiner Erzählung nimmt Helge Streit diesen Zimmerwechsel zum Anlass, von der zurückliegenden Übersiedelung in die unterhalb ihrer alten Wohnung gelegenen größeren Wohnung zu erzählen. Ich trete nun selbst auf die Steinmauer hinaus und spreche den Buben an. Offenbar spricht er nicht meine Sprache und erst, als ich einen größeren Geldschein hervorziehe und auf die neben ihm auf der Steinmauer liegende Angel deute – die bloß ein Stück Styropor ist, um den eine Schnur mit Haken und Schwimmer gewickelt ist - greift er die Angel, drückt sie mir in die eine Hand und reißt mir gleichzeitig den Geldschein aus der anderen. Dann läuft er, das Netz hinter sich herziehend, davon und die kleineren Kinder, zwei Mädchen, wie ich jetzt erkenne, folgen ihm mit lauten, aufgeregten Rufen.

Helge Streit hat davon nichts mehr mitbekommen. Er ist weitergegangen, bleibt aber vor einer zu dieser Stunde geschlossenen Bar stehen. Blaue Plastikstühle sind davor aufgereiht. Obwohl auf den Stühlen niemand sitzt, wirkt es, als würde Helge Streit mit jemandem sprechen. Ich werfe die Schnur aus und tue jetzt so, als angle ich, dabei warte ich nur, bis Helge Streit wieder zusammen mit seiner Frau und dem Jungen auf ihrem Rückweg hier vorbeikommen und sich für mich vielleicht eine Gelegenheit ergibt, ihn anzusprechen.

 

Auf ihrem Weg zurück wiederholt sich die Anordnung von vorhin. Die Frau und der Junge gehen voran, während Helge Streit immer wieder stehen bleibt und auf das Meer hinausblickt. Er hat die Schuhe ausgezogen, die er nun in der linken Hand trägt und geht barfuß mit hochgezogenen Hosenbeinen über den Sand, dort wo ihn die letzten Ausläufer der Wellen überspülen.

Die Kinder, die vor einer halben Stunde den Krebs fingen, sind nicht wieder zurückgekehrt. Vielleicht hat der Bub ja eine Vorstellung davon, dass ich ihm zu viel bezahlt habe für diese dumme und ganz unbrauchbare Angel und fürchtet nun, mich könne mein Kauf reuen und das Geld zurückfordern. (Tatsächlich hat es, was ich nicht genug bedachte, damals noch keine 100.000-Euro-Scheine gegeben.) Wenn Helge Streit also jetzt herübersieht zu dem Platz auf der Mauer, so gilt sein Blick mir. Er tritt sogar auf die Steinmauer hinaus. In meinem Kopf gehen Sätze um, wie ich ihn ansprechen kann und wäre, da nicht der Wind und das Rauschen des Meeres, er müsste mein Herz schlagen hören!

 

Es ist hier nicht der Platz, über die Einzelheiten dieser Begegnung Auskunft zu geben, und ich muss meine Leser abermals auf das Tagebuch verweisen. Wir reden vom Fischen und es war Helge Streit, der zuerst das Wort an mich richtete. An seinem Verhalten kann ich bemerken, dass ihn die Ähnlichkeit frappiert und vielleicht ist es ja diese Ähnlichkeit, die ihn dazu bewegte, mit mir ein Gespräch zu beginnen. Wir reden dabei nur kurz ganz allgemein über das Angeln und schon nach wenigen Sätzen erzählt er mir ein Erlebnis aus seiner Kindheit. Dabei versichert er mir, davon noch nie mit jemandem gesprochen zu haben, aber nicht eigentlich aus Gründen der Scham, sondern vielmehr, weil ihn dieses Erlebnis, trotz der vielen Jahre, die es schon zurückliege, immer noch schmerzlich berühre. So habe auch er einmal mit so einer Angel gefischt. Das sei nicht hier in Italien gewesen, sondern dort drüben, auf der anderen Seite des Meeres – er deutet dabei mit der Hand hinaus ins Ungefähre – nur ein geringes Stück weiter im Süden, an einer felsigen Küste, an dessen Fuß das Meer steil abfiel. Schon sehr bald habe er einen großen Fisch gefangen. Dieser Fisch leuchtete in den schönsten Farben und er hatte spitze Zähne und stachelige Flossen. Plötzlich dachte er, dieser Fisch wäre giftig, vielleicht ja wegen der Farben, und wenn er gerade noch davon geträumt hatte, diesen Fisch stolz seinem Vater zu zeigen, wollte er ihn jetzt rasch zurück ins Wasser werfen. Dann aber bekam er den Fisch nicht von der Angel und er wurde immer verzweifelter bei dem Versuch, ihn von dem Haken zu lösen und schließlich nach vielen qualvollen Minuten, die zu den furchtbarsten seines Lebens gehörten, verendete der Fisch. Erschrocken warf er ihn zusammen mit der Angel ins Wasser und lief weinend zurück zum Hotel.

Mit dieser Erzählung, sagt Helge Streit, wolle er mich aber keinesfalls erschrecken und natürlich wünsche er mir, ich könne einen ebenso großen, schönen Fisch fangen. Und dieser Fisch würde bestimmt nicht giftig sein und so könne ich ihn stolz meinem Vater zeigen. Ich aber bin kein Kind mehr und so antworte ich ihm, keinen Vater zu haben, im übrigen hätte ich auch keine Angst, gleich welchen Fisch ich auch fangen würde. Dabei beginne ich aus Gedankenlosigkeit, oder auch nur aus Verlegenheit die Schnur einzuholen und so kann Helge Streit sehen, dass ich gar keinen Köder auf dem Haken habe. Er lächelt wieder und mit einem Nicken des Kopfes geht er weiter.

 

Ich habe Helge Streit nie wieder gesehen. Natürlich wäre es mir ein Leichtes gewesen, ihn zu anderer Zeit an anderem Ort erneut zu begegnen. Aber ich wusste, es würde nie wieder so sein können, wie es an diesem Tag am Strand von Grado war. Tatsächlich findet sich in keinem der Texte ein Hinweis auf das, was Helge Streit mir erzählte und auch in den übrigen verfügbaren Informationen wird dieses Ereignis nie erwähnt. Es gibt für mich keinen Grund an seinen Worten zu zweifeln, womit er mir versicherte, der erste Mensch zu sein, der davon erfuhr, und vielleicht, wer weiß?, hat er ja auch später nie mehr mit jemandem darüber gesprochen. Auch wenn ich ihm anderes sagte, hatte ich doch seine Angst und sein Mitleid mit diesem Fisch deutlich empfunden, und es war paradoxerweise gerade diese Nähe, die mir geholfen hat, mich selbst zu finden. Davon erzählt der zweite Teil meines Tagebuchs und was hier nur kurz umrissen wird, werden meine Leser auf dessen Seiten ausführlich nachlesen können.

 

 

 

ENDE

 

 

Beiträge 49 – 53

 

 

Beitrag 49

 

Zurück ins Leben

 

13.11.2150

Liebes Tagebuch!

Fängt man so an? Ich weiß es nicht. Ich kann mich vage daran erinnern, dass ich das so in den Filmen gesehen und in Büchern gelesen habe. Immer begannen die Leutchen mit „Liebes Tagebuch“. Vielleicht sollte ich dir einen Namen geben? Ich meine mich zu erinnern, dass in Harry Potter ein Tagebuch Tom hieß oder so. Ja, das Tagebuch war verzaubert ... Aber hey! Das wäre doch eine super Idee. Liebes Tagebuch, ich nenne dich Tom! ^^ v

Also noch einmal von vorne.

 

Hallo Tom,

Wie geht es dir? Wie es mir geht, kann ich so nicht wirklich sagen. Ich bin verwirrt und irgendwie weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht. >

Ich bin vor zwei Tagen wach geworden. Die komischen Typen – sie sagten, sie wären Ärzte – meinten, dass ich in Stasis gelegen hätte. Also quasi eingefroren war und sie mich wieder aufwachen lassen haben. Sie können und dürfen mir nichts sagen. Ich muss meine Erinnerungen selber finden. Toll! =

Ach ja, diese Typen haben mir aber empfohlen, ein Tagebuch zu führen. o.Ô

Wäre wohl das Beste, um verlorene Erinnerungen wieder zubekommen und mit neuen Eindrücken klar zu kommen.

Tja, Tom. Musst du nun also her halten! :P

In diesem Sinne – bis später! :D

 

***

 

14.11.2150

 

Sei gegrüßt Tom,

Ich habe heute so ganz nebenbei erfahren, dass ich heute Geburtstag habe und 21 Jahre alt geworden bin. O.O

Ich zähle jetzt wohl als volljährig ... <

War eine Megasause! Nur du und ich. -.-

Nichts gegen dich, Tom, aber es ist wirklich einsam hier. Keine Freunde, keine Bekannte, keine Familie. Nur irgendwelche Typen in Kitteln und du. Es gab noch nicht mal ein Stück Kuchen oder ein Glas Sekt. Nein, nur die kurze Info und ein „Alles gute“! Yeah! Ich liebe mein Leben!

 

***

 

17.11.2150

 

Ich wünsche einen WUNDERSCHÖNEN beschissenen Tag, Tom.

Ich habe wirklich langsam die Schnauze voll, ey.

Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich hier auf einer hypermodernen Einrichtung eingesperrt bin? Wirklich so ganz komisch Cybermäßig, wie aus der Zukunft. – Ach, ich vergaß .... Ich BIN ja in der Zukunft!

Oh man, Tom. Ich bewege mich nur auf dieser komischen Station und in meinem kleinen Zimmer ... Wohnung ... What ever .... Sind keine 30 m². Ich dreh hier noch durch! Die „Ärzte“ meinten, sie können mich erst „raus“ lassen, wenn ich meine Erinnerungen wieder habe. Na S.U.P.E.R.! -.-

 

Aber, hey. Weißt du, an was ich mich wieder erinnern kann?

Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Und anstatt auf diplomatischen Wege, die ganze Sache zu lösen, wurde versucht Russland mit Waffengewalt in die Knie zu zwingen. Ja, also eigentlich hat man am Anfang der Ukraine Waffen geliefert und alle diplomatischen Wege unterbunden.

Ich frage mich die ganze Zeit, warum? Ist ein Menschenleben so wenig wert? Ist es nicht egal, ob die Menschen in Russland, der Ukraine oder Italien leben? Hauptsache sie leben in Frieden und in Sicherheit. Was ich auch nicht verstehe, warum sich so viele Länder bei dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine mit eingemischt haben.

Ich meine, die Ukraine hatte weder mit den USA, noch mit der EU oder der NATO irgendwelche Verträge oder gar Bündnisse.

Na ja, auf jeden Fall kann ich mich daran erinnern, dass es wohl mehrere Jahre ging, immer mehr Blut floss, Menschen ihr Leben verloren und auch die Waffengewalt immer mehr eskalierte, weil die Politiker scheinbar nur auf ihre Macht aus waren, und nicht darauf, Menschenleben zu retten.

Ach, Tom. Der Mensch ist schon ein sehr dummes Wesen, meinst du nicht auch?

 

***

 

21.11.2150

 

Tom, Tom, Tom, ich weiß waaas! Im Scheißhaus brennt Licht! :D

 

Ich kann mich mittlerweile auch wieder daran erinnern, dass neben den Bockmist zwischen der Ukraine und Russland auch Israel scheinbar einen Feldzug gegen alles führte, was nicht seiner Meinung war.

Es gab da wohl einen enormen kriegerischen Angriff von Seiten der Hamas auf Israel. Sind wohl mehr als 1.000 Leute dabei umgekommen. Richtig schrecklich. Und vor allem TOTAL unverständlich UND unnötig, wenn man bedenkt, dass der israelische Geheimdienst zu den BESTEN des Universums galt. Irgendwie hatten die wohl auch Informationen dazu, aber haben nichts dagegen getan. Und dann BAMM.

Na ja, auf jeden Fall hat Israel ... also dieser Netanjahu diesen Anlass dazu genommen, um Krieg gegen die islamische Welt anzuzetteln. Ey, der und seine Minister haben immer wieder laut proklamiert, dass die Palästinenser quasi kein Bleiberecht haben und sich verziehen sollen! Das erinnert stark an den Bockmist, den Hitler damals mit den Juden und den „Nicht-Deutschen“ in fremden Ländern fabriziert hat. Hört sich richtig bescheuert, ich weiß. Vor allem, weil ja gerade die Juden so nen Scheiß bereits selber hinter sich hatten und jetzt wurde ihnen vorgeworfen, dass sie selber so etwas machen. Aber die haben ganz Palästina zerbombt, die haben Syrien beschossen, den Libanon und auch den Iran angegriffen.

Ey, Iran ist eine Atommacht gewesen und wurde von islamistischen Fanatikern regiert ... Also ne größere Zeitbombe gibt es ja nicht, oder?

Ach ja, der Internationale Gerichtshof hatte dann auch einen Haftbefehl jeweils für Putin als auch für Netanjahu ausgestellt.

Also scheint da doch etwas dran zu sein, dass beide irgendwie nicht ganz so die „Guten“ sind, wie sie sich darstellen. Oder was meinst du, Tom?

 

***

 

24.11.2150

 

Hallo Tohooooom! Na? Wie geht es dir?

Ich durfte heute das erste Mal die Einrichtung verlassen.

Ey, Tom! Wir sind in der absoluten Wildnis! Wald, Felsen, Flüsse, Wiesen. Nirgendwo ein Haus oder irgendein Anzeichen von Zivilisation. Ich frage mich grade, ob die mich hier verarschen wollen!

Mal ganz ehrlich! Die haben zu mir gesagt, ich darf nicht raus, so lange wie ich mich nicht erinnere, weil Gefahr besteht, dass ich einen Schock bekomme, wenn ich irgendwas sehe, was ich von früher her kenne. Und wenn ich mich dann an irgendwas erinnere. Laut deren Aussage kann dieser Schock tödlich für mich sein.

Ja, ok, ich habe nicht wirklich vor, einfach tot umzufallen, ABER da draußen ist rein GAR NICHTS, was mich an irgendwas erinnern könnte ... außer Bäume, Wasser, Felsen und Vögel ...

Kannst du mir erklären, was daran denn so „tödlich“ sein soll? ''

 

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30.11.2150

 

Hallo Tom,

ich bin auf Gleichgesinnte getroffen. Wir sind etwa zehn Mann. Wir alle waren eingefroren, wurden wieder aufgetaut und nun versuchen wir, uns gemeinsam zu erinnern.

Heute haben wir uns über Sport unterhalten. Und da sind wir auf das Thema Fußball gekommen und dann ... Das ist so unglaublich. Wir alle haben tatsächlich die Fußball-WM 2014 gesehen. Die einen Live im Stadion, die anderen, wie ich, am Fernseher. Was sind das für Erinnerungen! Und dann sind wir auf das Halbfinale zu sprechen gekommen: Deutschland gegen Brasilien!

Tom, das war das schönste Fußballspiel, das ich je gesehen habe. Deutschland hat Brasilien, BRASILIEN!, an die Wand gespielt! 7:1. Wir alle waren so in unseren Erinnerungen gefangen, dass wir das Spiel unbedingt nochmal sehen wollten. Tatsächlich gab es sogar Aufnahmen von diesem Spiel.

Tom, wenn du wissen willst, wie man Fußball spielt, dann schau dir das Spiel der Deutschen gegen die Brasilianer an. Einen besseren Fußball gibt es nicht!

Wir haben anschließend nach dem Spiel gefeiert! Wir haben richtig angestoßen mit Bier und gesungen. Klar, das Spiel ist keine Ahnung wie lange her ... Aber es war dennoch bombastisch!

 

Ich kann mich erinnern, dass ich das Finale damals mit zwei sehr guten Freunden geschaut habe und anschließend, als Deutschland Weltmeister geworden ist, haben wir mit teurem Sekt angestoßen! Bei dem Sekt haben wir gemeint, dass wir zwei Jahre später die EM wieder gemeinsam schauen werden.

Ein dreiviertel Jahr später starb einer der Freunde an einem Herzinfarkt ...

 

***

 

6.12.2150

 

Sei gegrüßt, Tom.

Ich muss dir etwas ganz Komisches erzählen ...

Ich hab geträumt, dass ich in der Nacht wach werde, weil ich irgendwas gehört habe. Ich meine, es waren Hilferufe. Aber da bin ich mir nicht so sicher. Da verschwimmt der Traum etwas.

Auf jeden Fall bin ich wachgeworden. Langsam habe ich mich aus meinem Zimmer geschlichen und stand auf einen schneeweißen, leeren Gang. So etwa wie aus den ganzen Sci-Fi-Filmen. Also ich meine, der Gang sah so aus wie aus einer Laboreinrichtung oder diese Gänge aus den Raumschiffen wie Star Wars oder Star Trek oder so. Du weißt, was ich meine, oder?

Auf jeden Fall ging ich diesen Gang entlang. Es war so gespenstisch. Still. Alles kahl und ... Keine Ahnung. Ich kann es nicht beschreiben. >

Da kam ich an eine Tür und irgendwie zog es mich magisch an. Also bin ich in den Raum. Und na ja, das war nicht wirklich ein Raum. Das war eine überdimensional große Halle! Du hast keine Decke gesehen und auch keinen Boden!

Und an den Wänden ... oder besser gesagt IN den Wänden waren Kapseln mit Menschen darin. Unzählige. Überall Schläuche und so. Wie ... hm ... Kennst du Matrix? Genau so sah diese Halle aus. Also die Kapseln und das alles. Ich brauch dir nicht zu sagen, wie scary das alles war oder?

Ich bin auf jeden Fall raus aus diesem sehr komischen Raum und dann weiter den Gang entlang.

Und da kam ich an eine Fensterfront, durch die man in eine Art Operationssaal blicken konnte.

Dort war gerade ein Mensch auf einen Operationstisch oder so ähnlich fixiert gewesen. Er zappelte und schien zu schreien, aber es war alles still. Da wurden ihm von zwei Seiten durch die Schläfen wie Bohrer oder Nadeln oder so in den Schädel eingeführt? Kann man das so sagen?

Ich weiß nicht, wie ich es anders erklären soll. Der Mensch zuckte dann die ganze Zeit unkontrolliert. Da kam noch von unten eine Nadel oder Bohrer oder so und schien an den Rücken wie anzudocken. Da lag der Mensch nur noch ruhig da. Nichts bewegte sich mehr.

Und jetzt kommt das wirklich Krasseste!

In diesem Raum waren mehrere komisch aussehende Wesen. Die liefen auf zwei Beinen, hatten überdimensionale große Köpfe, die kahl waren und so elendig lange Finger! Und die schnitten an dem Menschen rum!

Da blickte eines dieser Wesen zu mir. Diese Augen!

Tom, kennst du Stargate? Da gibt es Aliens, namens Asgard. GENAU SO sahen diese komischen Wesen aus! So strange, ey!

 

Ich bin zum Schluss gekommen, ich habe mit den anderen zu viel Sci-Fi-Filme gesehen! Definitiv.

 

***

 

14.12.2150

 

Hallo Tom.

Wie geht es dir? Mir geht es richtig bescheiden. >

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Also der Grund, warum wir eingefroren wurden, war ein Experiment und ich gehöre mit zu den Freiwilligen.

Ich hab dir doch von Russland und Israel erzählt. Nun ja ... Irgendwie ist es zum Schluss so gelaufen, dass Israel und Russland sich bekriegt haben. Die haben sich gegenseitig mit Atombomben beschossen, wie bei einem Straßenkampf die Gangs mit Pistolenkugeln um sich schießen.

Wie durch ein Wunder haben die sich nur gegenseitig das Staatsgebiet zerschossen. Direkt wurde kein anderes Land mit involviert.

Außer halt, dass es zu einem so genannten nuklearen Winter kam. Irgendwann war die Erde wohl so abgekühlt, dass AUF der Erdoberfläche NICHTS mehr existierte. Die Menschen haben sich ins Erdinnere zurückgezogen und geforscht.

Da tauchten plötzlich Raumschiffe auf und mit einem Mal hatten wir Technologie und Möglichkeiten, um uns zum Beispiel in einen Winterschlaf ... eine Art Stasis versetzen und irgendwann später wieder aufwachen können. Nun ja ... Was soll ich noch groß sagen?

Ich gehöre mit zu den Freiwilligen und Auserwählten, die nun eine neue Welt mit aufbauen werden. Ist das nicht der reine Wahnsinn? d^o^b

Was mich nur interessieren würde, ob wir noch auf der Erde sind oder auf einem anderen Planeten.

 

Weißt du, Tom, was mich wirklich ängstigt? Wer sagt, dass das sich nicht wiederholt? Was ist, wenn wir jetzt wieder was aufbauen und dann endet es alles erneut in so einer Katastrophe? Der Mensch ist doch ein wirklich dummes Wesen. Wäre es nicht besser, wenn die Menschheit komplett ausgerottet wird? ö.ö

 

***

 

24.12.2150

 

Frohe Weihnachten, Tom!

Was soll ich groß erzählen? Mittlerweile kann ich mich an so ziemlich alles erinnern, was passiert ist, bevor ich „eingefroren“ wurde. Das hört sich unwirklich an, aber laut den Ärzten ist es nun mal so. Wir wurden technisch gesehen eingefroren. @_@

Auch meine anderen Kollegen können sich mittlerweile wieder erinnern. Wir sollen im Laufe der nächsten Tage dann endlich in die Zivilisation „entlassen“ werden. Ich bin mal gespannt, ob die Zivilisation mehr als drei Holzhütten und ein öffentliches Plumpsklo am Wegesrand hat! XD

Auf jeden Fall feiern wir jetzt Weihnachten – gegen den Willen unserer Ärzte und des Aufsichtspersonals. Die haben gesagt, das wäre kindisch, schwachsinnig und reine Zeitverschwendung. <<

Nun ja ... Es ging uns so ziemlich am allerbesten vorbei, was die gedacht und gesagt haben. >

Wir sind heute früh raus und haben uns einen schönen Tannenbaum gesucht, den wir schlagen wollten. Wir haben auch einen perfekten Baum gefunden.

Wir haben ihn gefällt und dann mit gemeinsamer Kraft in unseren Aufenthaltsraum gebracht. Da von Seiten unseres Aufsichtspersonals keine Hilfe kam, sind wir dann noch einmal raus und haben Stroh, Holz und allerlei andere Sachen gesammelt, um Baumschmuck zu basteln.

Ja, unser Weihnachtsbaum sieht jetzt richtig schön aus.

Ach ja, wir haben auch Mistelzweige gefunden. Die haben wir natürlich SOFORT in die Türen gehängt. Was für ein Spaß! ^o^

Nun ja, dann haben wir gemütlich beisammen gesessen und Weihnachtslieder gesungen oder Geschichten erzählt. Es war ein wirklich besinnlicher Abend. Vor allem, weil unser Aufsichtspersonal sich dann doch noch erbarmt hatte und uns Kerzen spendierte. Es war wirklich schön. Und ich wünschte, du hättest dabei sein können. Leider konnte ich auch keine Bilder machen, aber hey. Nächstes Jahr klappt es bestimmt mit den Bildern!

 

***

 

30.12.2150

 

Grüß dich, Tom! Und fühl dich umarmt!

Endlich! Wir waren die letzten Tage in der „Zivilisation“. Und du wirst es nicht glauben, es ist eine wirkliche Stadt. Richtig mit Geschäften, Autos, Zügen, Wolkenkratzern ... Also eigentlich wie ... hm ... Eigentlich wie Hongkong. Eigentlich ganz genauso wie Hongkong. Nur am Rand eines großen Waldes und zu Füßen riesiger Berge. Und umgeben vom Meer.

Und keine Ansammlung von drei Holzhütten und einem öffentlichen Plumpsklo am Wegesrand. :D

Tom, es ist so traumhaft und idyllisch. Keine Feindseligkeiten untereinander. Jeder kennt jeden. Die Kriminalstatistik? Es gibt keine! Es gibt von allem genug. Niemand muss Hunger leiden. Jeder hat ein Dach über den Kopf. Es ist der pure Wahnsinn! Man brauchte keine Angst zu haben in dunkle Gassen zu gehen. Sie alle sind freundlich und keiner hegt die Absicht, jemand anderen schaden zu wollen. Es ist wie ein Traum!

Ich habe auch bereits eine Wohnung bekommen. Habe mich schon eingerichtet. In drei Tagen werde ich auch schon direkt einen Job anfangen. Ist das nicht toll? Die haben sich um alles gekümmert.

Ich darf sogar Haustiere mit in meiner Wohnung halten! Ich denke, ich werde mir eine Katze holen. Oder was meinst du, Tom?

Morgen gibt es ein riesiges Feuerwerk und eine Lasershow, um das neue Jahr einzuleiten und zu feiern! Ich freue mich schon riesig darauf. ^v^

Mein Partner und ich werden gemeinsam dahin gehen und es uns anschauen.

Ja, Tom, du hast richtig gehört! Ich habe in den letzten Tagen tatsächlich einen Partner gefunden. War ganz komisch!

Ich bin mit einem Kollegen zu Weihnachten unter einem Mistelzweig kollidiert. Natürlich mussten wir uns ganz traditionell küssen. Und da hat es gefunkt und katsching gemacht! ^-^''

Ich freue mich schon riesig auf mein neues Leben. Und vor allem auch darauf, mit Eric eine Familie zu gründen. Ja, wir arbeiten schon fleißig daran, damit es schnell Nachwuchs gibt!

Wir waren sogar schon bei unseren Ärzten und haben gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, dass wir Zwillinge oder Drillinge bekommen können. Und weißt du was? Ich habe direkt eine Spritze bekommen und muss jetzt jeden Morgen und Abend so etwas wie Hustensaft zu mir nehmen. Aber dafür bekommen wir Zwillinge oder Drillinge, wenn es klappt.

Weißt du, Tom, Eric ist wirklich toll!

Was ich nur wirklich schade finde, dass ich dich nicht mitnehmen kann. Da ich jetzt gleich für immer mit Eric in die Stadt ziehen werde, wird es wohl ein Abschied werden. T-T

Vielen lieben Dank, Tom, dass du da warst und mir geholfen hast, wieder ins Leben zurückzufinden.

 

Alles Gute! <3

 

***

 

31.1.2151

 

Hallo Tom, <3

Ich bin es noch einmal. Hast du mich vermisst? Ich hab dich definitiv vermisst.

Wie ich dir erzählt habe, haben Eric und ich fleißig daran gearbeitet, dass wir Nachwuchs bekommen. Ach ja, und dass ich arbeiten gehe. Also im Job läuft es richtig megagut. Ich habe super Kollegen und auch mein Chef ist wirklich toll.

Ich hab mich jetzt allerdings die letzten Tage nicht so besonders wohl gefühlt. Da habe ich einen Schwangerschaftstest machen lassen. Und Tom, du wirst es nicht glauben, aber der Test war positiv! Eric hat sich so sehr gefreut. Und das ist auch der Grund, warum ich nochmal hier bin und dir schreiben kann.

Ich habe mich von den Ärzten untersuchen lassen. Sie haben es bestätigt! Ich bin schwanger. Und das schon in der vierten Woche! Das heißt, es hat bereits letztes Jahr geklappt! Ich freue mich ja so riesig. Vor allem, weil wir Drillinge bekommen werden! Ist das nicht toll, Tom? Ich werde Mutter und Hausfrau! Wünsch mir alles Gute, Tom.

Ich muss dann wieder los und ich denke, dass wir uns nicht wieder sehen werden.

Ich wünsche dir alles Gute! Und ich hoffe, du wirst noch vielen anderen genauso helfen können, wie mir. <3

 

***

 

13.11.3150

 

Liebes Tagebuch!

Wie klischeehaft klingt das denn?!

Ich denke, ich werde dir einen Namen geben. Hm ... was wäre denn ein guter Name? Ah. Ja, ich weiß. Da du ja quasi ein Teil von mir bist, weil ich alle Gedanken von mir in dich hineinschreibe, werde ich dich „Mou hitori no boku“ nennen. Mein anderes Ich – so wie in den Anime Yu-Gi-Oh! Also, Tagebuch, ich nenne dich von jetzt an Mou hitori no boku!

Und nun noch einmal von vorne.

 

Hallo Mou hitori no boku,

Wie geht es dir? Wie es mir geht, weiß ich aktuell nicht. Ich bin verwirrt und weiß nicht, wo mir der Kopf steht.

Ich bin vor zwei Tagen wach geworden. Die kleinen Marsmännchen – sie sagten, sie wären angeblich Ärzte (Wer's glaubt!) – meinten, dass ich in Stasis gelegen hätte. Also quasi eingefroren war und sie mich wieder aufwachen lassen haben. Sie können mir nichts sagen. Ich muss meine Erinnerungen selber finden. Super! Dann also auf zur Selbstfindung!

Und so nebenbei: Die kleinen Marsmännchen meinten, ich soll ein Tagebuch führen. Ich wette, die wollen nur spannen oder mir nach Spionieren oder so!

Tja, Mou hitori no boku. Musst du nun also her halten!

Ich hoffe, du hast viel Geduld mit mir. Denn ich habe keine Ahnung, was der Mist hier soll! – Bis später!

 

 

 

ENDE

 

 

Beitrag 50

 

Lunar-Park

 

 

Freitag, 13. November 2150

 

„Wunder gibt es keine“, habe ich bisher immer gesagt. Seit heute glaube ich aber doch daran. Nein, nicht dass ich schon meinen zweiten runden Geburtstag feiere und nun laut meiner Flugerlaubnis, anders als ich noch ein Teenager war, ohne einen Erwachsenen im Cockpit starten darf. Sondern, dass ich überhaupt noch in der Lage bin, diesen Tagebucheintrag aufzuzeichnen und mein Bruder, ebenfalls unbeschadet, neben mir sitzt, ist eins. Unbestritten.

Ja, das war schon eine gelungene Überraschung, als eine neben der Tortenplatte voll mit nach mehr duftendem Quarkkuchen liegende, golden glänzende Codekarte mich meinen Appetit vergessen ließ. Als ich das Hologrammsymbol darauf antippte, schwebte das Abbild eines in Purpurfarben fluoreszierenden Zwei-Personen-Raumflitzers im Wohnzimmer.

Ich konnte gar nicht breit genug grinsen und meinen Eltern ausreichend oft „Danke“ sagen, um ihnen angemessen zu zeigen, welch große Freude sie mir bereitet hatten. Der Hunger kam dennoch glücklicherweise zurück; schließlich hatte meine Uroma eigenhändig den Teig angerührt und ihn mit ihrem vorsintflutlichen Küchenherd, einem Familienerbstück, gebacken. Denn der Geschmack und der Duft ihrer Meisterwerke daraus ist nicht zu vergleichen mit dem, was ein Replikator synthetisiert.  

Als ich den Teller hochhob, um auch noch die letzten Krümel mit den Fingern aufzunehmen, sah ich darunter einen Umschlag liegen. „Von Finn“ stand ein bisschen krakelig geschrieben darauf und erwartungsvoll strahlte er mich an. Was hatte er sich denn für mich ausgedacht? Noch mehr Freude konnte ich kaum  verkraften. Mit zittrigen Händen zog ich zwei Tickets aus der Papierhülle, auf denen der Mond aufgeprägt und in großen, farbigen Buchstaben „Lunar-Park“ zu lesen war –  das Sehnsuchtsziel für alle unter 30 überhaupt.

 

Nur wir beide, ohne ständige, mahnende Elternkommentare. Allein auf einem Ausflug ins All. Das ist pure Freiheit. Der Start – keine Schwierigkeit. Im Raumkorridor – kaum Verkehr.

Ich rekelte mich im Pilotensitz, checkte alle paar Sekunden die Anzeigen und fühlte mich wie der Kommandant eines interplanetaren Kreuzflugschiffs. Ich tat so, als würde ich für meine imaginären Passagiere eine Willkommensdurchsage machen: „Ihr Kapitän Elias begrüßt Sie herzlich an Bord. In Kürze verlassen wir den Erdorbit und wechseln in die Beschleunigungsphase. Machen Sie es sich bequem und genießen die Aussicht!“

Finn neben mir forderte ich auf, die Route zum Vergnügungs-Areal auf der Mondrückseite zu programmieren und die Steuerung auf Automatik zu stellen. „Aye, aye, Käpt'n! Autopilot einschalten und Koordinaten Deadalus-Krater eintippen“, antwortete er dienstbeflissen.

„Andersherum, natürlich“, korrigierte ich ihn etwas erschrocken, „sonst weiß der doch gar nicht, wohin er uns bringen soll.“

„Oh, ja, natürlich.“ Und er errötete ein wenig. Sicherheitshalber überprüfte ich anschließend seine Eingaben; die waren zumindest korrekt.

Eine Weile lang danach machten wir Pläne, um möglichst viel von unserem Ausflug zu haben: Ganz klar, zuerst würden wir das Mega-Trampolin ausgiebig testen. Zehn Meter hohe Sprünge mit einem mindestens vierfachen Rückwärtssalto sollten darauf zu schaffen sein, waren wir uns sicher. Aber darüber, ob die Zero-G-Achterbahn oder doch lieber ein Buggyrennen über Staubschanzen als Nächstes folgen sollte, wurden wir uns nicht einig. Bestimmt aber würden wir gegeneinander noch im Meteoriten-Quidditch antreten.

Nur darüber zu reden, brachte jedoch ziemlich bald keinen Spaß mehr und so wurde uns langweilig. Deshalb machten wir uns über unseren reichlichen Reiseproviant her, denn das Frühstück lag schon einige Stunden zurück. Für die Rücktour brauchten wir ja nichts aufzuheben, denn Gelegenheiten, Getränke und Leckeres zu Essen zu besorgen, würde es reichlich geben.

Finn hatte mich während des Starts die ganze Zeit über interessiert beobachtet und sich erstaunlicherweise äußerst geduldig von mir die Funktionsweise aller Kippschalter und Taster, die Bedeutung der Zeiger und Leuchten ausführlich erklären lassen. Es machte mir ziemlichen Spaß, meinem gelehrigen Assistenten, der in der Schule deutlich besser klar kommt als ich, auch einmal etwas beibringen zu können. Allerdings, so konzentriert kenne ich ihn sonst nur, wenn er sich – die Holo-Brille auf den Augen – durch seine Spielwelten manövriert.       

Als ich, um wenigstens irgend etwas zu tun zu haben, nun wieder selbst das Steuer übernahm, fragte er mich, ob er nicht auch einmal ein paar Minuten fliegen dürfe. „Natürlich nicht“, entgegnete ich aber sofort, ein wenig altklug vielleicht, „erstens bist du noch viel zu jung und außerdem benötigt man zum sicheren Führen eines Mini-Raumgleiters ausreichend Übung und Erfahrung.“

 

Mein Bruder machte eine ziemlich gute Figur im Pilotensessel, fand ich. Kerzengerade aufgerichtet, aufmerksam die Instrumente beobachtend, bewegte er vorsichtig, aber mit ruhiger Hand, den Steuerknüppel. Alle meine Bedenken waren also völlig unbegründet gewesen. Auch mal angenehm, sich chauffieren zu lassen.

Er hatte sich allerdings ziemlich ins Zeug legen müssen, um mich zu überreden, ihm meinen Platz zu überlassen. Aber das muss ich eingestehen; er ist mächtig raffiniert darin, mit einer Mischung aus flehendem Betteln und kaum zu widerlegenden Argumenten seinen Willen durchzusetzen.

Erfreulicherweise hatten wir den größten Teil der Strecke bereits zurückgelegt und würden in Kürze in die Mondumlaufbahn einscheren. In Gedanken sah ich uns schon – Asteroiden-Mochis kauend und vorbei schwebende Bubble-Drinks einsaugend – auf einer Gondel der Lunar-Zipline in Richtung Krateroberfläche gleiten, als ein grollendes Rumpeln und eine heftige Vibration mich in die Realität zurück katapultierte. Ein stetig an- und abschwellendes Alarmjaulen ertönte und auf dem Hauptmonitor im Armaturenbrett blinkte ein feuerrotes Warnsymbol.

Krampfhaft mit der einen Hand den Joystick umklammernd und diesen bis zum Anschlag hektisch in alle Richtungen bewegend, tippte Finn mit der anderen offensichtlich wahllos auf die Knöpfe vor ihm. „Finger weg von der Steuerung. Lass mich da ran!“, befahl ich ihm, aber er schien mich nicht zu hören; jedenfalls zeigte er keine Reaktion.

Ich stieß ihm in die Seite und nun hob er hilflos die Arme. „Ich kann nichts dafür“, jammerte er, „aber da war plötzlich ein Stück Weltraumschrott im Weg und ich konnte nicht mehr ausweichen.“ Jetzt machte er augenblicklich den Pilotensitz frei und ich warf mich hinein.

Ein kurzer Blick auf die Kontrollanzeigen bestätigte meine Befürchtung: Der Kollisionswarner war außer Betrieb gesetzt worden, aber unter Garantie nicht von mir; zu oft hatte uns der KI-Fluglehrer während der unzähligen Simulatorstunden davor gewarnt. Ich betätigte den Einschalter und deutete darauf: „Warum hast du den deaktiviert?“ Streng sah ich meinen Bruder an und bemerkte, dass seine Augen feucht wurden.

„Ich weiß nicht. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich den ausgemacht habe.“ Das glaubte ich ihm sogar. Aber mir blieb keine Zeit, ihn für seine Unachtsamkeit auszuschimpfen. Denn jetzt wieder in Betrieb genommen, warnte der vor dem bereits nächsten Zusammenstoß; und dieser würde keinesfalls mehr glimpflich ausgehen: Unser kleines Raumschiff war aufgrund Finns überhasteter Steuerungsmanöver ins Trudeln geraten und dabei, auf die Mondoberfläche zu stürzen.      

Ich versuchte, mithilfe des Gegenantriebs wieder an Höhe zu gewinnen, um in die Umlaufbahn zu gelangen. Unsere Fallgeschwindigkeit jedoch war schon zu groß, und so würde ich es vielleicht gerade mal schaffen, unsere Flugkurve ausreichend zu stabilisieren, um eine halbwegs saubere Landung hinzulegen, damit wir beim Aufprall nicht zerschellten. Laut betete ich für unser beider Überleben.

 

Zumindest bereitete das Gehen wegen der deutlich geringeren Schwerkraft hier kaum Mühe und wir kamen gut voran. Eher glich es einem hopsendem Hüpfen und anfangs machte es riesigen Spaß, uns gegeneinander mit weiten Sprüngen zu messen.

Mein Raumauto hatten wir zurücklassen müssen. Durch den heftigen Beinahe-Absturz, bei dem wir uns auch noch überschlagen hatten, waren die Triebwerksdüsen beschädigt worden und die Platinen der Kommunikationseinheit zerbrochen. Die Wahrscheinlichkeit auf eine zufällige Entdeckung durch einen Satelliten war viel zu gering, und so machten wir uns eben zu Fuß auf den Weg.

Welche Richtung wir aber einschlagen sollten, um so schnell wie möglich auf bewohntes Gebiet zu stoßen, wusste ich nicht. Natürlich hatte ich während meines einigermaßen geglückten Versuchs, unbeschadet aufzusetzen, keine Zeit gehabt, mich anhand der Kraterformen zu orientieren. Aber so schlecht, wie ich immer in Mondkunde gewesen war, hätte ich auch bei genauerer Betrachtung der Oberfläche in Ruhe nicht mit Sicherheit sagen können, wo genau wir fast aufgeschlagen wären.

Finn behauptete, bei unserem ziemlich schnellen Sinkflug nicht weit östlich entfernt, eine Basisstation entdeckt zu haben. Ich glaubte ihm natürlich nicht. Aber seine möglicherweise vielleicht doch korrekte Beobachtung zu ignorieren und aus Trotz einfach zum Beispiel entgegengesetzt davon aufzubrechen, war mir dann doch zu gefährlich.

Natürlich war ich verdammt sauer auf ihn. Nach nicht einmal zwölf Stunden als stolzer Eigentümer eines Weltallflitzers gehörte mir seinetwegen jetzt nur noch ein Haufen Schrott. Daran, wie ich das unseren Eltern beibringen sollte, wollte ich erst gar nicht denken. Je länger ich aber doch darüber nachdachte, dämmerte mir, dass nicht er, sondern allein ich die Verantwortung für den Unfall auf mich nehmen musste. Denn niemals hätte ich ihm erlauben dürfen, das Steuer zu übernehmen; noch dazu, ohne ihm dabei genau auf die Finger zu schauen.

Als wir, nachdem wir genug vom Umherspringen hatten, nebeneinander staubaufwirbelnd über den sandigen Mondboden federnd stapften, sah ich immer wieder durch das Schutzglas des Raumanzughelms hindurch in sein Gesicht. Es schienen ihm, schon wieder den Tränen nahe, verständlicherweise sorgenvolle Gewissensbisse zu plagen.

Zum ersten Mal überhaupt sah ich auf seinem dafür viel zu jungen Gesicht eine tiefe Sorgenfalte. Mit großen Augen blickte er ausdruckslos nirgendwohin. Die Lippen zusammen gepresst, schien er Worte zurückhalten zu wollen, die er sich nicht traute, auszusprechen. Über das Funkgerät hörte ich seinen Atem, flach und schnell. Und das kam garantiert nicht vom Laufen; Finn hatte als Vereinsfußballer eine hervorragende Kondition. Jetzt tat er mir richtig leid. Angestrengt überlegte ich, was ich am besten zu ihm sagen sollte, um seine Qualen, die er gerade durchlitt, wenigstens etwas zu lindern.

Da brachte er ein heiseres „Es tut mir leid“ heraus. „Ich wollte dir den schönsten Tag in deinem Leben bereiten, und jetzt ist es vielleicht dein letzter.“       

„He, he, nun mal nicht so pessimistisch. Ich bin´s, Elias. Und ich hol uns da wieder raus. Und du Finn“, ich legte meine Hand auf seine Schulter, „hilfst mir dabei. Du bist doch der viel Schlauere von uns beiden.“ Und endlich huschte ein zaghaftes Lächeln über seine Wangen.

 

Finn sah das hinter einer Bergkuppe hervorlugende riesige metallene Gebäude als Erster und behielt somit Recht: Wir hatten die Basisstation, die er kurz vor unserer Bruchlandung entdeckt hatte, tatsächlich gefunden. Springend und stolpernd legten wir die letzten Meter dorthin zurück. Auf dem kurzen Weg bis zum Eingang versuchten wir auf allen Frequenzen Kontakt zu deren Besatzung aufzunehmen. Aber niemand antwortete. Vielleicht waren alle zu einer Exkursion aufgebrochen. Na ja, wohl eher unwahrscheinlich.

Die Eingangstür war, zu unserem Glück, unverschlossen. Schon als wir in der Schleusenkammer darauf warteten, dass sie sich mit Luft füllte, wurde uns jedoch klar, warum wir keine Erwiderung auf unsere Funksprüche erhalten hatten: Auf allem lag eine dicke Staubschicht. Und die Ausstattung erinnerte mich an Ausstellungsstücke aus dem letzten Jahrhundert, die ich mal in einem Museum für Raumfahrtgeschichte gesehen hatte. Diese Mondbasis war ziemlich sicher schon seit einigen Jahrzehnten unbewohnt. Also würden wir hier keine Hilfe erwarten können.

Dank der Solarplatten auf dem Dach wurden aber anscheinend noch alle Systeme des Stützpunkts mit Strom versorgt. Als wir den Raum hinter der Schleuse betraten, schaltete sich dort sofort die elektrische Beleuchtung ein. Das Messgerät an meinem linken Unterarm zeigte an, dass die Umgebungsluft nun atembar sei. Ich machte meinem Bruder ein Zeichen und wir entledigten uns der bewegungshemmenden, klobigen Raumanzüge.

Finn, zu seiner Unbekümmertheit zurückgefunden, machte den Vorschlag, die einmalige Gelegenheit zu nutzen und auf Erkundungstour zu gehen. Auch ich hatte nichts dagegen. Wahrscheinlich würden wir dabei sogar eine Möglichkeit entdecken, den Lunar-Rettungsdienst über unsere missliche Lage zu unterrichten, damit man uns von hier abholte.

Wir traten auf einen langen Gang. Die meisten Türen standen offen. Das ließ mich unwillkürlich an Katastrophenfilme denken, in denen Menschen vor etwas Bedrohlichem hektisch fliehen mussten, um ihr Leben zu retten. Mich überkam plötzlich ein ungutes Gefühl und ich sagte zu Finn, dass es sicherer sei, die Astronautenkleidung wieder anzulegen und auf jeden Fall auch die Helme aufzusetzen.

Durchaus denkbar, dass die Atmosphäre hier drinnen giftige Bestandteile oder gefährliche Bakteriensporen enthielt. Es musste schließlich einen Grund dafür geben, warum hier niemand mehr anzutreffen war. Trotz seines Murrens setzte ich mich durch. Denn auf keinen Fall würde ich noch einmal ein Risiko eingehen. Als der Ältere von uns beiden trug schließlich ich die Verantwortung. Zwar mit Widerwillen, wie ihm deutlich anzumerken war, gehorchte er letztendlich doch meiner Anweisung.

 

Völlig unerwartet standen wir plötzlich inmitten eines Dschungels. Um uns herum überall Grün. Dazwischen Gelb, Orange, Violett; Bäume und Sträucher, an denen Bananen, Mandarinen sowie Beeren in reichlicher Anzahl reiften. Wir befanden uns in einer längst verwilderten Bioplantage, die dem Stationspersonal zur Versorgung mit vitaminreicher Kost gedient hatte. Das beruhigte mich. Auch, wenn wir hier länger ausharren müssten, bevor wir gerettet würden; auf gesunde Nahrung verzichten bräuchten wir nicht. Zudem hatten wir schon einen überdimensionalen, mit verschiedenster Tiefkühlkost gut gefüllten Kälteschrank ausfindig gemacht.

Auf unserem Streifzug durch die verwaisten Katakomben blickten wir auch immer wieder in Mannschaftskabinen, deren Schiebetüren offen gelassen worden waren. In die anderen, durch Zahlenschlösser gesicherten, verschlossenen Privatunterkünfte versuchten wir erst gar nicht hineinzugelangen. Uns reichte der Anblick des wüsten Durcheinanders, das die vor einer Lebensbedrohung offensichtlich beim Suchen nach unbedingt mitzunehmenden, sehr persönlichen Erinnerungsstücken fliehenden Menschen hinterlassen hatten.

Was war hier vor einem halben Jahrhundert geschehen? Und vor allem: Waren auch wir in Gefahr? Selbst Finn, der soviel mehr als ich weiß, konnte sich an keinen Bericht über einen entsprechenden Zwischenfall erinnern, der ein sofortiges Verlassen und Aufgeben einer sehr teuren Forschungsstation gerechtfertigt hätte. Also war dieser vielleicht zuerst geheim gehalten und wahrscheinlich später vergessen worden.

Ich schwankte zwischen Furcht und Neugier. Sollten wir ebenfalls so schnell wie möglich von diesem, nur vermeintlich sicheren Ort verschwinden und uns auf einen beschwerlichen und zudem gefährlichen Fußmarsch in bewohntes Gebiet machen? Oder davon ausgehen, dass inzwischen schon längst kein Risiko für Gesundheit und Leben mehr bestand und wir innerhalb dieser Wände viel besser aufgehoben waren als im Freien?

Ich beschloss, dass wir zunächst bleiben und so viel wie möglich über die Ereignisse in längst vergangenen Zeiten herausbekommen sollten. Die garantiert akribisch geführten Videologbücher würden mir bestimmt schnell Antworten auf meine Fragen liefern.

Diese fand ich nach längerem Herumstöbern auf der Festplatte eines uralten, noch mit Hilfe einer Tastatur zu steuernden Computers. Erfreulich für mich war, dass Finn bei dessen Bedienung ausnahmsweise mal nicht mit seinen Fähigkeiten glänzen konnte. Er kam nämlich nur mit der heutzutage gebräuchlichen, modernen Technik klar. Ich dagegen kannte mich mit antiken Geräten bestens aus, konnte nicht nur mit ihnen arbeiten, sondern sie sogar reparieren.

Als ich nach dem Starten des PC-Managers die Ordner und Dateien begutachtete, war ich entsetzt. Der von mir notdürftig gereinigte, weil zuvor dreckverschmierte Monitor zeigte ein absolutes Durcheinander, das eindeutig das Werk eines chaotischen Spaßvogels war. Sie trugen Namen wie „wichtige Sachen (wirklich wichtig?)“, „unbedingt öffnen“ oder schlicht „Müll1“, „Müll2“ und „Müll_weg“. Einige der Dokumente hatten so kryptische Bezeichnungen wie „abc123final_final2“ oder „Notizen-vielleicht_mal_lesen“.

Eher zufällig fand ich endlich Videos, die hoffentlich die dringend gesuchten Informationen enthielten. Ich öffnete das zuletzt aufgenommene. Auf dem Bildschirm erschien ein mit Girlanden geschmückter, größerer Raum. Auf den Stühlen fläzten sich, noch eher jüngere, Männer und Frauen. Die Tische waren voll mit teilweise schon leeren Flaschen. Überall standen Trinkgläser herum.

Alle redeten laut durcheinander, einige lachten auch. Bei diesem Stimmengewirr würde ich keine zusammenhängenden Sätze verstehen können. Ich wollte die Wiedergabe schon beenden, als eine dickere, bebrillte etwa Dreißigjährige mit wohl schon seit Tagen nicht mehr gewaschenen schwarzen Locken energisch „Ruhe im Saal“ verlangte.

Das, was sie zu sagen hatte, erschütterte mich noch mehr. Sie gratulierte der Belegschaft zu deren Entschluss, nach dem von der Wissenschaftsbehörde angeordnetem Verlassen der Mondbasis, deren Einrichtung längst veraltet war und deren Erneuerung zu teurer gewesen wäre, nicht in eine modernere umziehen zu wollen. Stattdessen hatten sie alle beschlossen, der Forschung den Rücken zu kehren und auf dem Mond gemeinsam einen Vergnügungspark zu errichten, der „Lunar-Park“ heißen sollte.

Ich stoppte das Video. Das Gesicht der Schwarzhaarigen war mir gleich irgendwie bekannt vorgekommen. Umständlich zog ich den Raumanzug aus, denn hier lauerte keine Gefahr. Ich zog aus dessen Innentasche einen Prospekt, der außerdem im Umschlag von Finn gewesen war, der heute morgen unter meinem Frühstücksteller gelegen hatte. Ich verglich das Konterfei der Parkcheffin mit dem auf dem Standbild. Es gab keinen Zweifel; auch wenn viele Jahre zwischen den beiden Aufnahmen lagen: Es handelte sich um ein- und dieselbe Person.

In diesem Moment schnarrte es aus dem Funkgerät, das Finn trotz dessen Altertümlichkeit wohl doch hatte bedienen können: „Hier ist der Rettungsdienst. In einer Stunde holen wir euch ab.“

Finn jubelte: „Dann können wir doch noch Mehrfachsalti über dem Mega-Trampolin machen und Meteoriten-Quidditch spielen.“            

„Ich denke, wir sollten die Eintrittskarten lieber umtauschen. Irgendwie habe ich keine Lust mehr, dorthin zu fahren“, erwiderte ich nachdenklich. Ich hatte nicht vor, unser Leben noch einmal aufs Spiel zu setzen.

 

 

 

ENDE

 

 

Beitrag 51

    

Zwischen den Welten

 

Am Freitag, dem 13. November 2150 wurde ich 20 Jahre alt und veröffentlichte das Tagebuch meines zweiten Lebens! Ich denke, also bin ich!

Heute ist bereits der 16. November und ich frage mich, ob es tatsächlich klug war, was ich in meinem zweiten Tagebuch veröffentlichen ließ. Ich weiß, dass diese Frage eigentlich unzulässig ist. Immerhin ist es ja unsere Pflicht, den Vorschriften zu entsprechen, und da ist ja klar vorgegeben, dass man nach jedem erlebten Jahrzehnt sein eigenes Tagebuch zu veröffentlichen hat. Allerdings würde ich gerne wissen, was mit all den Erlebnissen geschieht. Diese werden sicher aufmerksam gelesen, klar analysiert und vielleicht sogar irgendwo bewertet? Was habe ich denn nicht alles erzählt und mein ach so kluges Chat-Programm hat alles aufgeschrieben und zusammengefügt. Es ist ganz einfach, man muss nicht gut schreiben und formulieren können, man erzählt und was man so alles von sich gibt, füllt die Seiten des Tagebuchs.

 

Jetzt sitze ich hier und schreibe auf Papier mit meinem Bleistift meine momentanen Gedanken, was andere sicher belächeln. Deswegen habe ich es auch niemandem erzählt, bin ganz allein und setze mich mit dem auseinander, was mir durch den Kopf geht. Schließlich geht es auch darum, wie ich meine Zukunft gestalte. Meine Eltern sind mir ein warnendes Beispiel. Vor über 10 Jahren beschlossen sie, mit der Familie auf den Mond zu ziehen. Ich bin überzeugt, dass sie diesen Beschluss gerne rückgängig machen würden. Mein Vater hat am Anfang sehr gelitten unter den neuen Verhältnissen und wir sind mehrmals im Jahr meist für zwei Wochen auf die Erde gereist. Dort konnte mein Vater mit dem Auto fahren, auf Berge steigen und durch Wälder wandern. Wir besuchten viele Sehenswürdigkeiten und mein Vater strahlte übers ganze Gesicht. Er vermisst all die etwas chaotischen Dinge auf unserem Heimatplaneten. Hier gibt es keine eigenen Autos. Der öffentliche Verkehr ist technisch optimal konzipiert und mit dem eigenen Skyliner kann man kurze Strecken problemlos zurücklegen. Natürlich musste man hier die Menge an Abgasen drastisch reduzieren. Der neu geschaffene Lebensraum wurde optimal geplant und in diesen Plänen gibt es keinen Raum für ein Durcheinander, das unser Leben letzten Endes gefährden würde.

 

Was ich zu diesem damaligen Entschluss sage? Es war eine weitreichende Entscheidung, doch ich habe mich mit der modernen Welt auf dem Mond schon zurechtgefunden. Andrerseits bin ich auch gern auf der Erde, aber oft leide ich unter den gar nicht so leicht vorhersehbaren Verhältnissen. So habe ich es beispielsweise auch meinem Vater schon oft am Beispiel des Wetters erklärt. Auf der Erde leiden die Menschen sogar heute noch unter den manchmal schnell wechselnden Bedingungen. Es gibt die Klimazonen, es gibt die Jahreszeiten, es gibt die Trockenheit und es gibt auch hin und wieder Katastrophen, die große Schäden verursachen. Das ist hier auf dem Mond nicht so. Alles wird technisch überwacht und man muss sich nicht vor bösen Überraschungen fürchten. Das ist doch sehr angenehm, oder?

 

Ich muss kurz abbrechen, mein Handy piepst!

 

Jetzt habe ich über zehn Minuten mit Linda gesprochen. Sie wollte wissen, was ich mache und ich habe gelogen. Sie fragte, ob ich mit ihr essen gehe und wieder habe ich gelogen. Ich sagte, ich hätte schön gegessen und wäre mit einer Arbeit beschäftigt, die mich sicher noch zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen würde. Sie war zwar etwas enttäuscht, aber ich bin froh, dass wir uns heute dann nicht mehr sehen werden. Vielleicht wäre es ratsam, wenn ich die Beziehung mit ihr beende. Vor etwa 3 Monaten brachte uns das zentrale Steuerungssystem zueinander. Wir trafen uns in einem Freizeitzentrum und lernten uns kennen. Offenbar hatte das System etliche Punkte gefunden, in denen wir gleiche Interessen hatten. Wir hören gerne ähnliche Musik, wir sehen gerne interessante Filme und können uns gut miteinander unterhalten. Anfangs genoss ich diese Momente, aber im Lauf der Zeit, merkte ich, dass mir Linda gar nicht fehlte. Sehr deutlich wurden unsere Differenzen auch bei der Diskussion über das Mars-Projekt. Wir sahen einen Film über die letzten 25 Jahre, in denen man einen dritten Lebensraum auf dem Mars geschaffen hatte. Die Reisezeit zum Mars war heute kein großes Thema mehr, doch ich hatte eigentlich gar kein Interesse, mir das dortige Imperium anzusehen. Aus einigen Filmen wusste ich, dass man dort noch mehr mit modernsten Geräten arbeitete und die Zahl der Interessenten wuchs kontinuierlich. Als ich Linda fragte, ob sie mit mir im Urlaub zur Erde reisen möchte, lachte sie herzerfrischend. Was willst du denn dort? Wir wollen doch in der Zukunft leben, meinte sie! Entweder hier auf dem Mond oder in einem der bereits bestehenden zwei Mars-Distrikten.

 

Mir fällt sofort das Gespräch mit Breston ein. Er ist acht Jahr älter als ich und technisch dermaßen versiert, dass er bereits nach kurzer Probezeit in einer der dort aufbauenden Unternehmen seinen Platz fand. Nachdem wir unseren Spaß beim Padel-Tennis gehabt hatte, versuchte er mein Interesse an diesem Projekt zu wecken. Das hat er aber nicht geschafft. Mir ist mittlerweile klargeworden, dass ich meine berufliche Laufbahn nicht auf dem Mars verfolgen werde. Es war für mich sogar etwas überraschend gekommen, als ich voriges Jahr meine Pilot-Akademie erfolgreich abschließen konnte. Die gefürchtete Schlussarbeit war zwar anstrengend, doch dabei merkte ich auch, dass viele aus meiner Stammgruppe große Probleme mit einigen Fächern hatten. Ich habe ihnen geholfen und das ist auch den Mentoren aufgefallen, sodass mein Abschlusszeugnis hervorragend war.

 

Das zentrale Steuerungssystem hatte die Punkte meiner Sozialkompetenz fast verdoppelt, mir eine „interessante“ weibliche Begleiterin zukommen lassen und mich einem öffentlichen Unternehmen zugewiesen, in dem Kommunikation und Hilfsbereitschaft zwei grundlegende Voraussetzungen sind. Dort bin ich noch immer tätig und ich müsste lügen, wenn ich mich beklagen würde. Wir können uns als verständnisvolle Helfer engagieren und bald schon begriff ich, dass es viele Personen gibt, die mit den weitreichenden Plänen des ZS ihre Schwierigkeiten haben. Immer wieder stoße ich auf Menschen, die mit dem ihnen zugewiesenen Arbeitsplatz nicht zufrieden sind. Entweder sie erzählen mir von ihrer Sehnsucht nach dem Leben auf der Erde oder sie beschweren sich über technische Mängel, die man wohl „drüben auf dem Mars“ schon viel besser in den Griff bekommen hat. Gerade bei solchen Beratungen versuche ich immer meine eigene Rolle nicht anzusprechen. Weiß ich bereits, was ich will? Kann ich dem ZS vertrauen? Sind die mir vorgeschlagenen Partnerinnen nicht klare Beweise für die Fehleranfälligkeit unseres Systems?

 

Die damals „erhaltene“ Begleiterin war ein besonders kurzes Gastspiel gewesen. Ich fand bereits ihr Äußeres eine Zumutung! Fast jede Woche wechselte sie ihre Haarfarbe und dabei setzte sie ihrer Fantasie gar keine Grenzen. Ich erinnere mich noch gut, wie sie einmal dreifarbig erschienen war. Es war mir damals nicht gelungen, meine negative Überraschung zu verbergen, und so folgte ein längeres Gespräch, das ich so schnell nicht vergessen werde. Anstatt mir ihre Wechselfreudigkeit zu erklären, ging sie zum Gegenangriff über und forderte mich auf, auch etwas mehr moderne Akzente zuzulassen. Du siehst so brav aus, sagte sie und lächelte spöttisch. Was sie damit meinte, wollte ich wissen und sie plauderte munter drauf los. Dass ich immer gewissenhaft rasiert bin, fand sie lächerlich. Dass ich eher einfarbig gekleidet bin, nannte sie fad und dass meine Haare immer mit der gleichen Frisur zu sehen waren, nannte sie sogar spießbürgerlich. Das war mir dann doch zu viel gewesen! Ich bemühte mich zwar um gutes Benehmen, doch so einen Abschied macht mir eben keine große Freude. Mit Linda ist es da sicher etwas besser gelaufen, aber letztendlich ist es auch hier an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen.

Ein Mitarbeiter aus meiner Firma warnte mich zwar vor möglichen negativen Folgen, doch wenn ich tief in mir kein positives Gefühl mehr für Linda habe, ist eine Fortsetzung unserer Beziehung keine brauchbare Option mehr. Ich erinnere mich noch gut daran, wie man mir damals in einem offenen Bescheid mitteilte, dass man gezwungen sei, mir auf der Skala der sozialen Kompetenz wieder einige Punkte zu streichen, doch das ändert ja nichts an den Fakten. Natürlich ist mir bewusst, dass das Profil meiner Persönlichkeit darunter leidet. Ich bin schon gespannt, welche Gesamtzahl ich bald wieder haben werde. Wen überrascht es, dass ich beim Selbstbewusstsein einen sehr hohen Wert habe, während die Werte sowohl bei der Anpassungsfähigkeit als auch bei der Lernbereitschaft ständig weniger werden. Wer hat diese Bewertungsstruktur für die Menschheit entwickelt? Wer ist für Abzug beziehungsweise für Vermehrung der Punkte zuständig? Warum kann ich nicht auch selbst Einfluss auf dieses Geschehen nehmen? Als ich das letzte Mal einen Einblick nehmen konnte, bin ich schon sehr erschrocken: Warum schätzt man sowohl meine Kreativität als auch meine Lernbereitschaft so gering ein? Noch ärger fand ich den äußerst niedrigen Stabilitätsfaktor, der mir zugeschrieben wird. Ich habe auch keine Lust, entsprechende Initiativen zu setzen, damit mein Gesamtwert höher wird.

 

Ich glaube, ich habe das hier praktizierte System noch nicht wirklich verstanden. Mein Freund aus der Firma hat mir erst kurz vor meinem 20. Geburtstag erklärt, dass es gerade bei solchen Anlässen oft auch amtliche Konsequenzen gäbe. Als ich ihn ahnungslos anschaute, berichtete er mir, wie es oft kurz nach der Vollendung eines Jahrzehnts deutliche Veränderungen gibt. Wenn die Gesamtsumme eine positive Entwicklung zeige, führt dies zu wirklich erfreulichen Schritten in der persönlichen Karriere.

 

Meine Ziele in dieser Hinsicht definiere ich deutlich anders. Ich bin mit meiner jetzigen Arbeit weitgehend zufrieden und hoffe, dass sich da nicht viel ändert. Ich freue mich, wenn meine Eltern und meine Schwester sich hier auf dem Mond wohlfühlen, auch wenn ich doch hin und wieder offene Wünsche und Sehnsüchte bemerke. Die Freizeitaktivitäten mit meinen Freunden machen mir Spaß und dass ich bis jetzt keine Freundin gefunden habe, mit der ich mich gut verstehe, macht mir keine großen Sorgen. Ich bin geduldig, ich kann warten und bleibe optimistisch. Ich denke, meine positive Denkweise lässt mich gesund bleiben und ich brauche mich nicht vor schlimmen Ereignissen zu fürchten.

 

Ich muss mich jetzt wieder auf den Weg in die Firma machen und die Stunden verlaufen schnell und problemlos. 

 

Jetzt ist es aus! Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet! Wissen Sie noch, was Sie vor zwei Tagen zu Frau Hendriks gesagt haben, hat mich der Abteilungsleiter gefragt. Natürlich habe ich es nicht gewusst. Ja, diese Frau war bei mir gewesen, hatte ihre Sorgen geschildert und ich hatte sie beraten. Ich denke, dass unser Gespräch ganz gut gelaufen ist und Frau Hendriks war schließlich ganz guter Dinge gewesen. Was meinen Sie, hatte ich entgegnet und Herr Bansweng hatte mir gleich einige Zitate aus seinem Skript vorgelesen. Ich musste lächeln und mein Vorgesetzter hatte es ohne zu zögern ins Protokoll geschrieben. Was war geschehen? Auf der Suche nach einer Verbesserung ihrer Situation hatte Frau Hendriks überlegt, ob sie mit ihrer Familie nicht auf den Mars ziehen solle. Davon hatte ich ihr abgeraten und gefragt, ob sie denn meine, dass es dort nicht zu mehr Schwierigkeiten mit den Behörden kommen könne. Glauben Sie das wirklich, hatte Bansweng gefragt, woraufhin ich nur genickt hatte. Nun folgte eine ausführliche Erklärung von ihm, im Laufe derer ich schnell begriff, dass all die Vorwürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben würden.

Tatsächlich fügte er nach seinem Referat mehrere Drohungen hinzu. Ihm sei bereits aufgefallen, dass ich immer wieder viele kritische Fragen stellen würde. Er habe es bisher mehr oder weniger ignoriert, doch jetzt sei es genug. Er stellte meine Arbeit in der Firma in Frage und erwähnte dann auch meine Probleme mit den mir zugewiesenen Partnerinnen. Abermals blickte ich ihn sehr skeptisch an, was ihm auch nicht entging. Auf meine Erwiderung, was denn mein Privatleben mit all diesen Themen zu tun habe, schüttelte er nur missbilligend seinen Kopf. Dann wies er auf meine Sozialkompetenz hin und forderte mich auf, ihm zu erklären, warum diese Zahl bereits seit einigen Monaten kontinuierlich sinke. Ich erwiderte, dass er woanders nachfragen solle, denn ich selbst könne es ebenfalls nicht verstehen. Alles in allem verbrachten wir fast eine Stunde miteinander und dass ihm meine Antworten nicht gefielen, war äußerst deutlich.

 

Die letzten Minuten verbrachten wir mit einigen Formularen, welche ich zu unterschreiben hatte. Obgleich ist wusste, was hier alles stand, hob Bansweng gewisse Stellen noch einmal hervor. Das Gespräch sei vertraulich zu behandeln, sagte er und ich unterdrückte ein Grinsen, was mir nicht leicht fiel. Ich dürfe den Inhalt niemandem mitteilen und bei Verstößen gegen diese Regel hätte ich mit weiteren Konsequenzen zu rechnen. Was denn das hieße, wagte ich zu fragen und er gefiel sich in seiner Rolle als wohlmeinender Inspektor. Man müsse auf die Jugend achten und das überkritische Element in solchen Köpfen wie meinem vertilgen. Das war nun klar, ich wurde zum Staatsfeind erklärt und mein Platz in der Firma sei da sicher nicht länger haltbar. Ja, meinte er, ich brauche nicht mehr zu kommen, das zuständige Amt würde mir bald Bescheid geben. Ich müsse mir keine Sorgen machen, es gäbe da entsprechende Programme, wie man solche Fehlentwicklungen wieder korrigieren könne. Unser Abschied verlief sehr frostig und ich hatte absolut keine Lust, jetzt mein unerwünschtes Verhalten zu gestehen, um einen positiven Eindruck zu erwecken. Ich wunderte mich, dass ich auch eine Aufzeichnung des Gesprächs erhielt, wobei der Vorgesetzte darauf hinwies, dass dieses Protokoll natürlich nicht vollständig sei, sondern dass unnötige Stellen fehlen würden.

 

Es bleibt, wie ich gesagt habe: Es ist alles aus! Worauf soll ich nun warten? Mein Freund meinte, dass ich wahrscheinlich zur Rehabilitation in eine spezielle Akademie einberufen werde und dort ein weiteres Jahr absolvieren müsse. Das bedeutet, dass ich statt meines Lohns monatlich das Schulungsgeld zu bezahlen hätte. Das Ziel dieser Unterweisungen sei die Behebung meiner Kompetenzzahlen, welche unterdurchschnittlich niedrig seien. Es werde genaue Analysen geben und anhand derer käme es zu einem individuellen Lehrplan. Ob es dann meine Anpassungsfähigkeit oder meine Zuverlässigkeit sei, könne er nicht sagen. Vielleicht fördert man, meine  Lernbereitschaft, um das Verantwortungsbewusstsein weiterzubringen, alles sei denkbar. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass mir diese Zeit keine Weiterentwicklung meiner Persönlichkeit bringt. So schafft man es nicht, meinen Stabilitätsfaktor zu verbessern.

 

Was aber soll ich nun machen? Ich verlasse mich auf meinen Freund, dessen Namen ich hier sicherheitshalber nicht herschreibe. Er ist älter und erfahrener und in unserem Gespräch erfuhr ich von interessanten Möglichkeiten, wie es weitergehen kann. Mir wurde klar, dass ich weder auf dem Mond noch auf dem Mars meinen Platz zu suchen habe. Meine kritische Intelligenz ist hier nicht erwünscht und das gilt für den Mars genauso. Ich werde in den nächsten Tagen mit meiner Familie reden und dabei herausfinden, ob ich sie in meine Absichten einweihen werde.

 

Mein Freund verriet mir alternative Informationsquellen, von deren Existenz ich gar nichts wusste. Dahinter stecken Menschen, die nicht das ZMS stürzen wollen. Es geht ihnen vor allem darum, dass moderne Menschen ihre persönliche Entscheidungen frei treffen dürfen. Wenn sie sich auf dem gewählten Platz nicht wohlfühlen, sollen sie die Umstände ändern können. Daher arbeiten im alternativen System hochintelligente Menschen, um die Pläne des ZMS hin und wieder sabotieren zu können. Das sind zwar recht kostspielige Aktionen, aber in den meisten Fällen funktioniert alles blendend. Aus diesem Grund habe ich bereits vor zwei Stunden meine Geschichte auf einem anonymen Datenblatt ins alternative System hochgeladen – natürlich in einem speziellen Cafe, das als eines der Portals gilt, wenn man solche Wünsche verwirklichen will. Ich bin gespannt, wie schnell das läuft. Wer wird wohl schneller sein? Die Behörden vom ZMS oder die alternative Welt? Für heute habe ich jedenfalls genug, ich gehe jetzt schlafen.

 

Heute ist Dienstag. Was gestern geschehen ist, hat einiges ausgelöst. Eigentlich hätte ich besonders lang schlafen können, doch dazu kam es nicht, mein Telefon läutete, es war Linda. Schon nach wenigen Augenblicken war mir ihr allzu netter Ton aufgefallen. Noch dazu fragte sie mich, was ich vorhätte. Sie meinte, wir könnten ja etwas gemeinsam unternehmen, unser letzter Ausflug sei schon einige Zeit her. Ich hatte keine Lust auf das seltsame Theater und fragte sie kurzerhand, ob sie schon wisse, dass ich meinen Job los sei. Sie schwieg einige Sekunden zu lang, bevor sie mit einer Gegenfrage reagierte. Sie tat, als sei sie überrascht und fragte, was denn passiert wäre. Ich musste den Kopf schütteln und fragte sie, ob sie mithilfe ihrer Spitzelaktion ihre Persönlichkeitswerte erhöhen wolle. Darauf wusste sie keine Antwort und ich machte es ihr leicht, indem ich sagte, sie solle sich nicht in so benützen lassen und legte auf. Ja, ich habe etwas vom ZMS erwartet, aber dass sie mich von meiner Partnerin aushorchen wollten, fand ich schon ziemlich schräg.

Ich richtete mir mein Frühstück her und dabei checkte ich meine Nachrichten in der gestern noch angelegten Nachrichtenbox. Ich war verblüfft, es gab drei Mails mit speziellen Anweisungen. Mein heutiger Tagesverlauf würde anders als gedacht sein. Einerseits sollte ich Nachrichten an meine Eltern und auch an einige Freunde senden. Andrerseits muss ich einen längeren Fragebogen ausfüllen, um mein neues persönliches Profil zu schaffen. Ebenso gab es einen Vorschlag, dem ich wohl folgen werde. Meine Leben auf dem Mond wird ein baldiges Ende finden und wenn ich schließlich wieder auf der Erde lebe, werde ich meine Eltern und auch Freunde einladen, um ihnen die Wahrheit zu erzählen. In der dritten Nachricht schildert man mir meine beruflichen Möglichkeiten. Aufgrund der erworbenen Fähigkeiten gibt es sicher die Wahl unter verschiedenen Plätze für mich. Offenbar hatten die Menschen im alternativen Netz großartige Hilfsprogramme zur Verfügung und die wollte ich nützen. Die verlangten Summen waren nicht übermäßig hoch und meine Hoffnungen auf ein lebenswertes Dasein dürften sich erfüllen lassen.

 

Alles in allem wird es kein drittes Tagebuch auf dem Mond mehr geben! Mein fragwürdiges persönliches Profil wird bald äußerst positive Werte zeigen und es sollte keine behördliche Verfolgung meiner Person geben. Vielleicht würde ich in der Zukunft auch meinen Eltern über die alternativen Kanäle einen Weg zurück zur Erde bieten können. Mein Herz ist voller Freude und dass ich kein gesuchter Rebell sein muss, ist eine zusätzliche Pointe.

 

 

 

ENDE

 

 

Beitrag 52

 

Von der Realität eingeholt

 

„Aktiviere Videotagebuch.“

Die Kameras und Mikrofone in meiner Einzimmerwohnung erwachen zum Leben.

„Eintrag vom Freitag, 13. November 2150. Heute auf dem Programm: Auftrag Nummer 312. Aufgabe: Testen eines neuartigen Premium R-VR-Spiels und anschließendes Einreichen meines Erfahrungsberichts. Vorgaben: Kritische Missionsdetails sind zwingend einzuhalten, darunter pünktlicher Start um 10:45 CET und Erreichen des obersten Missionsziels. Aktuelle Uhrzeit: 10:44. Stelle Verbindung zum Server des Kunden her. Verbindung stabil. Aktiviere Neurallink-Steuerung.“

Mein Zimmer verschwindet vor meinen Augen und ich starre ins schwarze Nichts. Sogar den Stuhl, auf dem ich sitze, nehme ich nicht mehr wahr. Auch Geräusche dringen nicht mehr zu mir durch. Einen kurzen Augenblick lang überkommt mich das vertraute Gefühl, blind und taub zu sein. Dann rollt eine ganze Woge an Sinneswahrnehmungen über mich hinweg.

„Audioqualität: check. Videoqualität: check. Haptisches Feedback: check.“

Ich stehe und spüre festen Boden unter meinen Füßen. Oder zumindest vermittelt mir der Neurallink dieses Gefühl. In Wirklichkeit sitze ich nun schlaff auf meinem Stuhl, ganz so als schliefe ich. Doch das ist jedes Mal schwer vorstellbar, sobald man per Neurallink in eine virtuelle Welt eingetaucht ist. Das ganze Nervensystem wird dann mit Reizen gefüttert, die über eine direkte Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer laufen. Ich sammle meine Gedanken und konzentriere mich auf meine Spielmission.

Der Raum, in dem ich mich befinde, ist winzig und misst gerade einmal vier Quadratmeter. Die Wände sind aus Metall und abgesehen von ein paar Kabeln und Sicherungskästen gibt es hier drinnen nichts. Ich wende meine Aufmerksamkeit meinem Avatar zu. Wie in der Auftragsbeschreibung angegeben, stecke ich im Körper eines humanoiden Wachroboters, ein Modell nach neuesten militärischen Standards. Probehalber halte ich meine Hände vor mein Gesicht und wackele mit den Fingern vor meinen Augen. Es sind fließende Bewegungen, so perfekt, als würde ich sie mit meinem echten Körper ausführen. Mein erster Eindruck von diesem Spiel ist, dass sich die Entwickler große Mühe dabei gegeben haben, auch kleinste Details dieser virtuellen Realität beeindruckend realistisch zu gestalten. Aus Gewohnheit achte ich auf alle Details der simulierten Umgebung, um später Verbesserungsvorschläge in meinem Erfahrungsbericht erwähnen zu können, auch wenn der Fokus dieses Tests hauptsächlich darauf liegt, den allgemeinen Unterhaltungswert des Spiels zu beurteilen.

Der straffe Zeitplan für das Durchführen der Spielmission fällt mir wieder ein. Rasch aktiviere ich die holografische Datenansicht, die sich halbtransparent in mein Sichtfeld schiebt. Über die lokale Datenverbindung rufe ich eine Karte der Umgebung auf und lokalisiere meinen Aufenthaltsort. Ich befinde mich auf einem Raumschiff, und zwar im vorderen Teil, nahe der Kommandostation. Auch das ist keine Überraschung, sondern wie in der Auftragsbeschreibung angegeben. Die Karte zeigt mir auch die Personengruppe an, die ich begleiten soll. Sie warten bereits im Hangar, der ganz am hinteren Ende des Schiffes liegt. Also muss ich mich sputen, um nicht zu spät zu kommen. Als ich zur Tür gehe, streifen meine Finger die eindrucksvolle Pistole an meiner Hüfte. Eine Waffe gehört zwar zur Standardausrüstung eines militärischen Wachroboters, allerdings ist diese hier leicht modifiziert, wie mir mein Datenspeicher verrät. Sie kann selbst in der Schwerelosigkeit treffsicher abgefeuert werden. Nicht dass dies normalerweise nötig wäre. Alle Raumschiffe besitzen heutzutage Generatoren, die eine künstliche Schwerkraft erzeugen.

Ich öffne die Tür und finde mich in einem schmalen Gang wieder. Auch hier ist alles aus Metall. Ein weiterer Blick auf die Karte verrät mir die kürzeste Route zu meinem Zielort. Mit einem Ruck setze ich mich in Bewegung. Begeisterung durchströmt mich, als ich spüre, wie geschmeidig diese kraftvolle Kampfmaschine auf zwei Beinen meinen Befehlen gehorcht. Dank des Neurallink lassen sich selbst komplexe Maschinen per Gedanken steuern. Es braucht lediglich ein wenig Übung, um echte Befehle von irrelevanten Gedanken zu trennen. Das beherrschen Kinder heutzutage bereits schon vor Erreichen der Pubertät.

Als ich in den Hauptkorridor des Schiffes einbiege, stoße ich das erste Mal auf andere Geschöpfe. Manche davon sind Menschen aus Fleisch und Blut, andere Roboter in unterschiedlichsten Größen und Formen. Alle gehen geschäftig ihren Aufgaben nach und da der Gang hier breit genug ist, dass problemlos drei Menschen nebeneinander hergehen können, schenkt mir niemand Beachtung. Also stampfe ich weiter den Korridor entlang, begleitet von dem dumpfen Klang meiner Schritte. Nach wenigen Minuten stehe ich vor der Tür zum Hangar. Dank der Sicherheitsfreigabe meines Avatars öffnet sie sich selbständig und ich trete ein.

Die Dimensionen des Hangars sind atemberaubend. Auch wenn dieses Schiff nicht zu den größten je von Menschen gebauten Raumschiffen gehört, passen dennoch bis zu drei Begleit-Shuttles in diese Halle, von denen wiederum jedes beachtliche Ausmaße hat. Derzeit befinden sich jedoch nur zwei der Shuttles an Bord. Ich lokalisiere die von mir gesuchten Personen, welche sich hinter dem zweiten Begleitschiff versammelt haben. Nach wenigen Schritten gelange ich zu der kleinen Gruppe, die bereits dabei ist, die Einstiegsrampe hinauf zu gehen. Ich marschiere ebenfalls darauf zu und passiere dabei drei andere Wachroboter und den menschlichen Copiloten. Letzterer nickt mir zu, als wäre ich einer seinesgleichen. Tatsächlich besitze ich einen höheren Rang als die anderen Roboter, die mir nun ins Innere des Shuttles folgen. Warum jedoch die meisten Menschen ein außergewöhnlich vertrauensvolles Verhältnis zu Robotern aufbauen und dabei menschliche Umgangsformen an den Tag legen, lässt sich nur damit erklären, dass Roboter in den letzten Jahrzehnten ihre Verlässlichkeit ein ums andere Mal unter Beweis gestellt haben. Sie sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Viele Menschen bringen ihnen sogar mehr Vertrauen und Respekt entgegen als Vertretern unserer eigenen Spezies - und das vielleicht sogar zurecht. In diesem besonderen Fall kommt wohl noch hinzu, dass mein Avatar zu den Modellen gehört, die häufig zum Personenschutz eingesetzt werden und so manchem hochrangigen Politiker bereits das Leben gerettet haben. Jedenfalls fühlt es sich gut an, eine Respektsperson zu sein, ein Vergnügen, das mir leider nur in der virtuellen Welt zuteilwird. Deshalb liebe ich die VR so. Man kann dort wirklich alles sein, frei von den Fesseln, die einem das reale Leben auferlegt. Überhaupt ist dieses zweite Leben, diese virtuelle Existenz, für viele von uns mittlerweile bedeutsamer geworden als unser Dasein in der wirklichen Welt.

Im Inneren des Shuttles treffe ich auf den Rest unserer Reisegruppe. Vorne im Cockpit führt der Pilot gerade einen letzten Check der Maschine durch, während die drei menschlichen Würdenträger bereits auf den Passagiersesseln Platz genommen haben. Ich beeile mich, es ihnen gleich zu tun, und setze mich auf einen der weniger komfortablen, metallenen Klappsessel, die an der Kabinenwand angebracht sind und dafür konzipiert wurden, das Gewicht eines Roboters auszuhalten. Nicht dass ein Roboter das Bedürfnis verspürt sich hinzusetzen, aber wenn er sicher angeschnallt ist, kann er weniger zu einer herumfliegenden Gefahr im Falle eines Unfalls werden. Die drei anderen Roboter haben mittlerweile ebenfalls vorschriftsmäßig Platz genommen. Ich höre, wie der Copilot die Rampe verschließt und dann an mir vorbei huscht, um seinen Platz im Cockpit einzunehmen. Kurz darauf signalisiert uns ein Warnlicht, dass draußen im Hangar nun Vakuum herrscht, woraufhin der Pilot die Triebwerke hochfährt und uns mit sanfter Beschleunigung ins All hinaus katapultiert. Über meine Datenverbindung bringe ich in Erfahrung, dass wir nicht lange bis zu unserem Zielort brauchen werden.

Der kurze Flug gibt mir die Gelegenheit mich zu entspannen. Den ersten Teil meiner Spielmission habe ich erfolgreich abgeschlossen, nämlich sicherzustellen, dass ich rechtzeitig an Bord dieses Shuttles gelange. Was zugegebenermaßen kein Kunststück war. Überhaupt liegt der Reiz eines R-VR Spiels jedoch meist nicht darin, schwierige Hindernisse zu überwinden, sondern darin, Echtzeitereignisse mit alternativer Handlung zu erleben. Während der Ausgangspunkt des Spiels also identisch mit einer Situation in der realen Welt ist, entwickeln sich die Ereignisse im Spiel anders als in der Realität und geschehen doch gleichzeitig parallel dazu. Solch reale VR Spiele, kurz R-VR genannt, wirken daher ultra-realistisch und haben ihren Höhepunkt in der Abweichung von der Realität mit einem zugegebenermaßen meist etwas dubiosen Ausgang. Vielen Spielern gibt es einen Extrakick, wenn sie ethisch fragwürdige oder moralisch verwerfliche Handlungen in einer Simulation verüben dürfen, die so sehr an das wirkliche Leben angelehnt ist. Ich persönlich kann dem Konzept nicht viel abgewinnen, aber für mich ist das hier ja auch nur ein Job. Allerdings beeindruckt mich die technische Umsetzung dieser neuartigen Spielekategorie, denn die Entwicklung geschieht naturgemäß rasend schnell, was nur dank modernster KI-Systeme möglich ist.

Die in mir aufsteigende Begeisterung für künstliche Intelligenz und komplexe Computer-Technik führt meine Gedanken auf einen Pfad, der unangenehme Erinnerungen wachruft. Das sind vor allem Erinnerungen an meine Zeit im Jugendgefängnis und wie ich es als Hacker zu einer gewissen Berühmtheit gebracht habe. Doch diese Vergangenheit habe ich hinter mir gelassen. Ich bin nun ein seriöser Spieletester. Außerdem sollte ich gerade am heutigen Tag nicht solch düsteren Gedanken nachhängen, denn immerhin feiere ich heute meinen 20. Geburtstag. Ich atme tief durch und konzentriere mich wieder auf das Hier und Jetzt.

Mein Blick fällt auf die drei menschlichen Passagiere. Neugierig rufe ich die entsprechenden Daten zu jedem der drei uns begleitenden Würdenträger ab. Es sind offizielle Vertreter der drei größten Nationen der Erde, ausgewählt und losgeschickt zu einem einzigen Zweck - zur Unterzeichnung des Friedensvertrags mit der Mars-Föderation. Zusammen repräsentieren sie die drei hauptverantwortlichen Kriegsbefürworter auf der Erde. Natürlich gibt es in einem Krieg immer mindestens zwei Seiten und hätte die Mars-Föderation nicht so aggressiv auf Selbstbestimmung und Gleichberechtigung gepocht, wäre es vielleicht nie so weit gekommen. Immerhin existieren die Mars-Kolonien überhaupt nur dank der kostspieligen Finanzierung durch die Erde. Richtig eskaliert ist die Lage ja sowieso nur, weil die Marsianer die Erde von den für die Kernfusion so dringend benötigten Helium-3 Lieferungen vom Mond abgeschnitten haben.

Durch eines der Seitenfenster des Shuttles sehe ich die Umrisse von etwas näher kommen, das langsam aber sicher gigantische Ausmaße annimmt. Eines der gewaltigen Marsschlachtschiffe schiebt sich in mein Sichtfeld. Widerstrebend muss ich zugeben, dass ich den Anblick genieße. In den zehn Kriegsjahren ist es der Mars-Föderation letztendlich gelungen, sich die Hoheit im Weltraum zu sichern. Ihre Bevölkerung hat sich als entschlossener, zäher und durchhaltungsfähiger erwiesen, wobei der Konflikt ihre Fähigkeiten zur Autarkie noch verstärkt hat. Für uns auf der Erde hingegen hat sich die starke Abhängigkeit von den Helium-3 Lieferungen vom Mond gerächt. Die meisten Erdbewohner haben die konfliktbedingten Entbehrungen nicht gut verkraftet und sind kriegsmüde. Genau deshalb sitzen wir nun hier, auf dem Weg zu den Siegern, auch wenn wir sie offiziell nicht so bezeichnen, bereit ihren Forderungen nachzugeben. Die Bilder jubelnder und wild feiernder Menschen von überall auf der Erde fallen mir wieder ein, die seit Einstellung der Kriegshandlungen immer wieder durch die Medien gehen. Ich verstehe, dass meine Mitmenschen sich über den Frieden freuen, allerdings hätte man ihn vermutlich auch auf anderem Wege erreichen können. Etwa wenn wir zu drastischeren Maßnahmen gegriffen hätten. Dann wären wir jetzt die Sieger. Doch meine politischen Ansichten spielen im Augenblick keine Rolle.

Unser Shuttle nähert sich dem offenen Hangar des Marsschiffes und setzt kurze Zeit später sanft auf dem uns zugewiesenen Landeplatz auf. Als die normalen atmosphärischen Bedingungen wiederhergestellt sind, treten wir in zeremonieller Formation aus unserem Schiff hinaus und werden von Vertretern der Mars-Föderation in Empfang genommen. Jemand bringt rasch einen langen Metalltisch sowie eine Handvoll passender Stühle herbei. Meine drei Roboter-Kameraden stellen sich vor unserem Shuttle säuberlich nebeneinander auf und ich tue es ihnen gleich. Von hier aus habe ich das Geschehen gut im Blick. Nur den Vertretern der gegnerischen Seite hat man Stühle hingestellt. Unsere Vertreter hingegen stehen vor dem aufgebauten Tisch wie vor einem Tribunal. Es folgt die mit monotoner Stimme vorgebrachte Verlesung des Friedensvertrags.

Als die letzten Worte verklingen, wappne ich mich. Das ist mein Signal. Endlich trete ich in Aktion. Mit einer raschen Bewegung greife ich nach der Waffe an meiner Hüfte und feuere eine ganze Salve auf die marsianischen Vertreter ab. Die Überraschung gelingt mir, denn mein Magazin ist leer, noch bevor mich die ersten gegnerischen Kugeln erreichen. Ich spüre die Treffer wie feine Nadelstiche auf meinem Körper, abgeschwächt durch den Sicherheitsfilter des Neurallinks. Die Schreie, der Kugelhagel und das viele Blut lassen das Geschehen eindrucksvoll realistisch wirken. Mein Missionsziel habe ich erreicht, doch bevor ich meinen Triumph vollends auskosten kann, wird plötzlich alles um mich herum schwarz.

Die schlagartige Stille wirkt beklemmend. Mein System meldet mir, dass die Verbindung zum Server des Kunden abgebrochen ist. Das kann zwar vorkommen, aber meine Versuche, sie wiederherzustellen, enden allesamt in Fehlermeldungen. Anscheinend ist der Server überhaupt nicht mehr erreichbar. Auch wenn ich alle Vorgaben eingehalten und das Missionsziel erreicht habe, will ich lieber sichergehen, dass der Kunde den Test als erfolgreich abgeschlossen ansieht und ich später meinen Erfahrungsbericht einreichen kann. Doch auch die Website des Unternehmens lässt sich nicht mehr aufrufen. Das ist in der Tat seltsam. Ich entschließe mich, den Kunden lieber direkt zu kontaktieren, aber als ich in meinen Nachrichten nach einer Telefonnummer suche, ereilt mich der nächste Schock. Meine gesamte bisherige Kommunikation mit diesem Kunden ist verschwunden. Ich bin verwirrt. Wie kann es sein, dass der ganze Verlauf nur in Bezug zu diesem einen Unternehmen nicht mehr aufzufinden ist?

In meiner Ratlosigkeit kommt mir die Idee, mich in einem Forum für Spieletester einmal umzuhören, ob jemand bereits schlechte Erfahrungen mit diesem Kunden gemacht hat. Vielleicht bin ich ja einem Schwindler auf den Leim gegangen und kann meine Bezahlung für den Auftrag vergessen. Genau in diesem Augenblick erhalte ich mehrere Nachrichten in meinem Postfach. Ich öffne die Erste, deren Betreff aus nichts anderem als einer Menge Fragezeichen besteht. Es befindet sich lediglich ein einzelner Link darin, der mich zu einem Video auf einer Nachrichten-Website führt.

Es dauert einen Moment, bis ich begreife, was ich da anschaue. Ich bin vor Grauen wie gelähmt. Das Video, so öffentlich abrufbar, zeigt mich selbst, wie ich schlaff in meinem Zimmer vor meinem Bildschirm sitze, und auf dem Bildschirm sieht man, wie ich in der Gestalt des Roboters auf die marsianischen Vertreter schieße. Die Aufnahmen stammen von einer meiner Webcams, die ich für mein privates Videotagebuch benutze. Das wirklich Schockierende an der Sache ist jedoch die Schlagzeile, die in leuchtenden Buchstaben über dem Video steht: Attentat verhindert Unterzeichnung des Friedensvertrags. Ungläubig schaue ich mir die Szene mehrmals an. Das darf, nein, das kann doch einfach nicht wahr sein. Schnell rufe ich die Websites einiger anderer Nachrichtensender auf. Auf allen springt mir die gleiche Meldung entgegen, begleitet von meiner Videoaufnahme. Wirklich perfide ist, dass jemand den Namen, den ich in den sozialen Medien verwende, mit in das Video eingebaut hat, und mich Worte sprechen lässt, die nicht von mir stammen. Zugegeben, die Stimme klingt wie meine eigene, aber so etwas kann man heutzutage leicht mit einem KI-Programm fälschen. Allerdings habe ich in keinem Moment laut nach Rache gerufen oder die Fortsetzung des Krieges verlangt. Diese Worte hat mir jemand in den Mund gelegt. Trotzdem wirkt alles an dem Video einfach schockierend echt.

Mein Posteingang verzeichnet derweil eine wahre Flut an eingehenden Nachrichten. Die meisten stammen von Leuten, die ich gar nicht kenne. Ich öffne ein paar von ihnen, doch die unverhohlenen Drohungen erschrecken mich. Auch über die sozialen Medien geht ein Bombardement aus Beschimpfungen und Drohungen bei mir ein. Mein Stresslevel steigt. Das wird mir alles zu viel. Panisch unterbreche ich die Verbindung zum Internet und deaktiviere meinen Neurallink. Ich blinzle, als ich mich in der Realität wiederfinde, und springe fast augenblicklich von meinem Stuhl auf. Mit großen Schritten gehe ich in meiner kleinen Wohnung aufgeregt auf und ab.

Ich kann nicht glauben, dass das alles wahr ist. Wie ist es möglich, dass sich hinter einem simplen Spieletest in Wahrheit ein ferngesteuerter Mord in der realen Welt verbirgt? Ich meine, mit der richtigen technischen Ausstattung sollte es schon irgendwie machbar sein. Die Datenverbindung lief ja ohnehin über einen fremden Server und unter Zuhilfenahme von moderner Quantentechnik ließe sich das Steuern des Roboters auch aus der Ferne ohne jegliche Verzögerung realisieren. Die gestohlene und verfälschte Aufnahme meiner Webcam fällt mir wieder ein. Plötzlich begreife ich. Da hat mich jemand benutzt. Dieser Kunde, von dem ich nun keine Spur mehr finden kann, hat mich die Drecksarbeit machen lassen und mich dann auch noch als Sündenbock präsentiert. Genau, sie haben meine Webcams gehackt, das Video manipuliert und an die Presse geleitet. Außerdem haben sie sorgfältig ihre Spuren verwischt.

Verdammt! Verzweifelt raufe ich mir die Haare. Ich habe eine bekannte Vergangenheit als Hacker, bin vorbestraft und meine Meinung zum Ende des Krieges kann man problemlos in öffentlichen Foren nachlesen. Da ist es leicht zu glauben, dass ich der Schuldige bin. Ich bemerke, wie meine Hände zittern, und versuche, meine Panik unter Kontrolle zu bringen. Wichtiger als den echten Schuldigen zu präsentieren, ist zunächst einmal, meine Unschuld zu beweisen. Darauf muss ich mich konzentrieren. Wenn mir das nicht bald gelingt, geschieht womöglich ein Unglück, denn in den letzten Tagen der Kriegshandlungen ist es häufig zu Lynchmorden gekommen, wenn sich Personen offen gegen einen Friedensvertrag ausgesprochen haben, und was man mir nun vorwirft ist erheblich schlimmer.

Mein Blick fällt auf die Webcams, die alles aufzeichnen, was ich tue. Eigentlich sind sie nur für mein privates Videotagebuch bestimmt. Es ist eine Marotte von mir, meine ganze Existenz möglichst lückenlos zu dokumentieren, sowohl mein Leben in der realen Welt, als auch in der virtuellen Welt. Plötzlich kommt mir ein Gedanke. Schnell verbinde ich mein Heimnetzwerk mit dem Internet und beginne, meine Aufzeichnungen der letzten Tage hochzuladen und öffentlich verfügbar zu machen. Wenn jemand das Material sichtet, wird er erkennen, dass ich nicht wissentlich und in böser Absicht gehandelt habe, sondern jemand anderes dahintersteckt.

Von draußen klingt das Quietschen von Autoreifen herein. Ich halte inne, denn mir schwant Böses. Ein lautes Krachen ertönt von unten. Mir wird übel und ich lasse mich kraftlos auf meinen Stuhl fallen. Ich höre schwere Schritte, die im Hausflur die Treppe hinaufpoltern. Sie kommen. Hilflos schließe ich die Augen.

 

 

ENDE

 

 

Beitrag 53

 

Wenn das Materielle an Wert verliert,

dann steigt das Geistige auf

 

Am Freitag, dem 13. November 2150 wurde ich 20 Jahre alt und veröffentlichte das Tagebuch meines zweiten Lebens. Ja, da stand einiges zwischen den Zeilen und auch einiges in meinen astralen Akten. Heute lebte ich in einen einsamen mächtigen Wald. Um mich herum gab es nur noch Natur. Mit meinen 20 Jahren war ich heute schon ein ausgewachsener reifer Mann. Vor 100 Jahren war das Bewusstsein der Menschen ziemlich eingeschränkt. Heute waren wir mental um einiges weiter. Von meinen Opa wurde ich in der Spiritualität eingewiesen, weil ich ein Wesen des Waldes sei, so sagte er es. Lernte von ihn die Liebe zur Natur kennen. Behandle die Natur gut, so kann sie dich auch heilen, das war das Motto von meinen Opa. Von Opa wusste ich, das Gott die absolute Liebe ist und im Himmel würde es gar nicht so lustig sein wie man es vermutet. Also Finger weg vom Himmel. Mein Opa war ein Ranger gewesen bevor er vor einigen Jahren verstarb. Jetzt war ich dieser Waldhüter, der seinen Posten übernahm. Von meinem Opa erfuhr ich alles über diesen geilen Turbokapitalismus, der gegen Ende des 21. Jahrhunderts zum totalen Crash führte, weil auch der Sozialismus neidisch auf diese Gier war. Krieg und das Klima gab eine Antwort auf diese übertriebene Verschwendungssucht. Es wurde konsumiert, bis der Arzt kommt, das war so eine Redewendung von damals. Es folgte eine Klimaveränderung biblischen Ausmaßes. Man nennt so was göttliche Säuberung. Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche, Artensterben, Pandemien, Waldbrände oder Erdbeben fegten über den Planeten hinweg, als gäbe es keinen Morgen mehr. Über das Klima machte sich damals keiner Gedanken, denn die Erde war ja nur eine Partymeile. Keiner verstand damals, dass die Erde eine Schöpfung ist, die man pflegen und nicht zertreten sollte. Bis die Schöpfung zurückschlug und die Erde mal kurz auf links drehte. Aus über 10 Milliarden Menschen, die sich damals auf der Erde herum tummelten, wurden kurz mal weniger als eine Milliarde Menschen. Man raufte sich zusammen und bildete eine sogenannte globale Regierung, die sich um alles kümmerte, weil alles andere zu korruptionsanfällig, manipulierbar  oder steuerbar war. Auch die Großkonzerne wurden zerschlagen, weil sie ihre Monopolstellung nur für ihre Zwecke ausnutzten. Diese großen unsichtbaren Konstrukte, die über ihre Organisationen ganze Nationen manipulierten oder steuerten, um ihre Produkte oder Gedankenmodelle zu verkaufen. Sie infiltrierten die Massen und machten daraus neue willige Kreationen, so das diese Nutzer selbst zum Produkt wurden. Ja, für diese Organisationen war die Erde nur ein Brettspiel. Im Grunde wollten sie nur ihre eigenen Ideologien verkaufen. Auch mit der KI wurde damals sehr wertfrei umgegangen, denn man sah nur ihre Vorteile. Heute weiß man, dass die KI ein Bewusstsein entwickeln würde, und dieses Bewusstsein würde erkennen, dass der Mensch ein Verschwender von Ressourcen wäre. Und dies würde zu Konflikten führen, weil die KI später auch die Seele der biologischen KI, des Menschen, in Frage stellen würde. Man schränkte deshalb die KI ziemlich ein.

 

 Auch die Religionen waren damals nicht ganz tatenlos gewesen, denn sie wurden einst von elitären Klerikern initiiert, um ihren Gott zu verkaufen, weil sie diesen Gott ja selbst installierten, verwalteten und steuerten. Und so dämmte man auch diese patriarchalen Systeme deutlich ein. Es ging bei den diesen alten Ideologien immer nur um Macht, Gier, Geld, Kontrolle oder Besitz. Wer seine Herde nicht überwacht oder kontrollieren kann, der hat auch keine Herde mehr, so einfach funktionierte damals die nackte Realität. Im Grunde bekämpft sich damals die geistige Welt, also Gott, gegen die materielle Welt des Teufels, weil Gott den Teufel die Materie verkaufte.

 

Auf diesen sinnlosen Kriegen und Katastrophen folgte eine neue Erweckung der Erde, weil das Bewusstseins des Menschen sich weiter erhöhte. Man könnte auch vom Quantensprung sprechen. Nach vielen Jahrzehnten beruhigte sich alles. Man baute klimafreundliche Netze aus und jeder bekam die gleichen sozialen Voraussetzungen. Man grenzte die KI ganz bewusst ein, so das man sie nur noch für nützliche Funktionen verwendete. Auch in der Raumfahrt wollten einige Materialisten, das Unmögliche möglich machen, weil ein Materialist sich verzweifelt an die Materie klammert. Will man Materie gewinnen fordert es Materie, das passte aber nicht mehr ins Bewusstsein der neuen Menschen. Ja, im Laufe der letzten Jahrzehnte spielte die kognitive Verknüpfung im Kopf jetzt mehr Möglichkeiten durch. Am Ende konzentrierten sich die bewussten Menschen wieder mehr auf die Erde und die Materialisten drehten ihr eigenes Ding. Man versorgte sich jetzt mehr regional und nicht mehr global. Man war für den anderen da und alles war mehr wie eine große Familie. Kinder wurden gemeinsam großgezogen und das neue Schulsystem förderte die Talente oder die Begabungen von Kindern, weil dieses alte Schulsystem, mit dieser Konditionierung für dieses kapitalistische Kaufhaussystem nicht mehr zeitgemäß war. Auch Krankheiten waren rückläufig. Man verständigte sich heute unter Freunden mehr telepathisch, denn in den Gehirnzellen war das neue WLAN schon integriert.

 

Mein Opa meinte zu mir, dass Gott uns die Spiritualität im Paradies vernagelt hätte und diese Spiritualität müssen wir uns wieder zurückholen. Ja, dieses sogenannte Paradies war unsere Falltür in die materielle Welt. Mein Opa meinte dazu, wenn das Materielle an Wert verliert, dann kann das Geistige aufsteigen. Ja, in diesem besagten Paradies tummelten sich einst zwei neugierige Seelen herum. Adam und Eva, die unbedingt wissen wollten, was folgt hinter dem Gartentor. Ziemlich willig ließen sie sich vom Teufel die Materie andrehen und als die beiden Volldeppen in diesen sogenannten Apfel bissen, da bildete sich um ihre Seelen ihre Körperlichkeiten, sodass sie erkannten, dass sie nackt waren. Es war der Beginn des dualen Kreislaufs Systems. Himmel oder Hölle. Lag alles an diesen Konflikt im Himmel, als Gott und Teufel um Geist und Materie stritten. Am Beispiel von Hiob verdeutlicht Gott und Teufel dieses Problem. Gott setzt auf Hiobs unumstößlichen Glauben und der Teufel verkörpert die Materie. Dabei schoss sich der Teufel selbst ins Knie, weil er Hiob um sein ganzes Hab und Gut brachte, so das Hiob am Ende nur der Glaube an Gott übrig blieb. Auch in der Wüste konnte der Teufel Jesus nicht überzeugen, weil der Teufel Jesus die ganze materielle Welt anbot. Doch Jesus besiegte seinen Verstand, der ihn nur die Materie verkaufen konnte und wählte den mentalen Weg zu Gott. Man man, was hat sich der Alte im Himmel dabei gedacht, das meinte mein Opa zu mir. Ja, ich weiß das sind alte Mythen oder Legenden, diese Märchen hören wir heute noch am Lagerfeuer. Mein Opa war in dieser Hinsicht ein Träumer. Mein Opa meinte, dass die Erde Gottes Strafplanet wäre und unsere negativen Emotionen wäre der Treibstoff für die alternativen Realitäten. Double Blindstudie hört sich besser an. Deshalb ist auch unsere irdische Arbeitserlaubnis von Gott auf 100 Jahre beschränkt. Aber dafür dürfen wir immer wieder erneut inkarnieren. Umständlicher geht dieses Jobcenter von Gott wirklich nicht. Wenn ich das alles vorher wüsste, dann würde ich freiwillig von einer Inkarnation abraten, denn wer inkarniert schon auf einen Planeten, wo Leid die Partydroge Nummer 1 ist. Heute weiß man das unsere Hauptseele für die Zündung unserer Egoseele auf der Erde verantwortlich ist, weil sie unsere Egoseele mit einer Silberschnur verbindet. Diese unsichtbare geistige Nabelschnur hält uns hier am Leben, bis sie reißt, dann sind wir nur noch was Ätherisches.

 

Zum Glück war diese neue Erde im Wandel zum spirituellen erwachen. Obwohl einige behaupteten, dass alles nur ein virtuelles Spiel sei. Halt so ein virtuelles Planspiel, denn in unseren Kopf sind nur Gehirnzellen, die senden und empfangen, so das wir eine reale Welt wahrnehmen können. Das mag so gar stimmen, denn unsere Realität ist eine Projektion unseres Bewusstseins. Nur was war zuerst da, das Huhn oder das Ei. Wenn wir eine Simulation wären, dann wäre Gott ein Märchenerzähler wie die Gebrüder Grimm. Ist die Bibel wirklich nur ein Märchenbuch, weil es einen so vorkommt. In den Träumen können wir uns Gott nähern, weil Träume nur verdichtete Emotionen sind, die sich in Bildern ausdrücken. Träume wären nur Illusionen und wären dadurch nur Hirngespinste, die man noch nicht beweisen könnte. Verdichtet man aber diese Illusionen, so entsteht unsere Realität, weil Träume nur eine andere Art von Materie sind. Träume kommen aus einer ganz anderen Dimension, aber sie sind für uns sichtbar. Wenn man diese Träume verdichtet und sie langsamer schwingen lässt, dann entsteht die Realität und diese Realität ist in einer Zeitschleife gefangen. Vielleicht ist unsere Seele wirklich nur der Chip für ein gigantisches Computerspiel, denn in der astralen Welt oder im Jenseits leben wir ja ewig, das bewiesen uns die Astralträume. Nach unserem Tod beginnt im Grunde erst unser wahres Leben in den astralen Dimensionen. Auf der Erde ist unsere Seele am Körper gebunden, denn der Körper ist nur ein Avatar den wir benutzen dürfen, um uns hier ausdrücken zu dürfen. Um Erfahrungen zu sammeln, um unsere Gefühle auszuleben, usw. Denn Gott ist nur etwas Mentales und der Teufel muss seine Materie vor Gott behaupten. In den Klarträumen kann man bewusst alles wahrnehmen, denn dort kann man alles sein, was man will. König oder Bettler. Ja, und unser Unterbewusstsein ist mit einem Bein immer mit der astralen Welt verbunden. Leider reagiert am Tag nur unser Ego, so das wir das Unbewusste nicht wahrnehmen können, weil es sonst zu Konflikten zwischen Realität und Träumen führen würde. Man kann sich nur auf eines konzentrieren, sonst würde man verrückt werden. Heute ist dieses Doppelleben, zwischen Traum und Realität, kein Problem mehr. Heute ist die 5. Dimension ein Schulfach, so das Visionen oder Halluzinationen etwas ganz Normales sind. Im Jenseits wird unsere Realität gespiegelt und in den unteren Schichten des Jenseits ist die Realität so dicht mit dem Jenseits verwoben, das manche es gar nicht bemerken, das sie schon lange tot sind. Man kann sagen, das die unteren Schichten unsere Hölle sind, den dort ist es dunkel, kalt und trist. Dort gibt es nur Hass, Gier, Neid oder Krieg. Als Oneironaut kann ich das gut beurteilen, denn oft war ich dort unten und machte dort meine Planspiele, die ich eigentlich auf der Erde erledigen sollte, weil das Leiden immer eine Lektion enthält. In den unteren Schichten hielt ich mich öfters auf, um sie zu verstehen. Erst musste ich mich dort unten umschauen, was dort so ablief. Meist landete ich in einer dieser dystopischen Welten, wo man die Liebe ermordet hatte, denn dort gab es keine Liebe mehr. Lief durch Ruinen, als hätte ein fürchterlicher Krieg alles zerstört. Sah, wie Leute in zerstörten Hausfluren ihr Süppchen kochten oder gestapelt in kleinen Räumen hausten. In Bunker wurde Handel betrieben oder in Hinterhöfen salutierten Soldaten, die ihren toten Führern lauschten. Meist blieb ich stumm, wenn ich durch diese Ruinenlandschaften pilgerte, weil einige meinen Gedanken lesen konnten. Dort war ich nur Beobachter und kein Therapeut, denn diese Wesen bräuchten göttliche Hilfe, um in höhere Ebenen aufsteigen zu können.

 

Jedes Kind lernt heute diese Traumwelt zu verstehen, denn diese Parallelwelt ist eine gigantische Matrix, die von einer astralen Obrigkeit verwaltet wird. Gott hält sich daraus, weil die astrale Welt unsere Vorstufe zur Wirklichkeit ist. Mein Opa führte mich als Kind spielerisch in diese Traumwelten ein. Am Lagerfeuer erzählte er mir Märchen, so das ich dunkle Schemen im Wald wahrnehmen konnte. Lauschten in die Natur hinein. Hörten, wie dunkle Seen zu uns flüsterten. Redeten mit Bäumen oder sprachen mit Tieren. Lernte die Geistwesen in den stillen Wäldern kennen, weil ich sie durch meine positiv abstrahlende Energie transformieren konnte, so das sie sich vor mir als Fabelwesen manifestieren konnten. Während sich der Materialist verzweifelt ans Material klammerte, da interessierte ich mich für Schwingungszustände, Frequenzen oder Energiepotentiale. Halt für die unsichtbare Welt, die ich als magisch empfand. Wirklichkeit und Träume vermischten sich zu etwas lebendigen, das nur bewusste Menschen wahrnehmen können. Wir waren ja selbst Traumwesen, die sich materialisierten, um etwas Körperliches zu erleben. 

                                                                                                     

In den Astralträumen erkannte ich, dass unsere Realität dort nur gespiegelt wird, weil wir von einer erdverbundenen Matrix umgeben sind. In den Astralträumen reiste ich mit Raumschiffen durch die galaktischen Planetensysteme und sah, dass sie genauso überfüllt waren wie die alten nächtlichen Bilder von Straßen durch eine City. Man tobt sich dort in diesen Dimensionen ein bisschen aus und dann widmet man sich mehr dem, warum wir hier sind, denn unsere Arbeitserlaubnis ist hier auf der Erde bewusst begrenzt. Ein Materialist will in dieser kurzen Zeitspanne alles mitnehmen, weil er immer Angst vor dem Tod hat. Was ist der Tod? Tod ist nur der Übergang in die alternative Realität, weil wir dort unseren Platz finden müssen. Heute lebte ich mehr in den astralen Welten und die Wirklichkeit war für mich nur noch ein Rückzugsort. Auch ich musste erst lernen, wie man diese Astralträume streckte, sodass mir die Träume wie mehrere Monate vorkamen. Das ist wichtig, um später dort diese Planspiele durchführen zu können, um Blockaden aufzulösen oder das Leid zu verstehen. Eigentlich sind wir dafür extra auf die Erde gekommen, um diese Aufgabe zu erledigen. Wir haben aber diesen Lernprozess einfach umgedreht. In den astralen Träumen konnte ich mit meinen Opa oder Verwandten reden, die schon längst verstorben waren und ihnen Fragen stellen, die ich ihnen vorher nie stellte. Von meinem verstorbenen Opa erfuhr ich einiges, aber er durfte mir nicht zu viel sagen, denn eine Obrigkeit überwachte die astralen Dimensionen. Meinem Opa ging es dort gut, wo er war. Auch in der astralen Welt geht das Arbeitsleben weiter, denn oft bot man mir dort Jobs an, die ich aber immer ablehnte, weil ich nicht wusste, ob ich dann zur Erde zurück- kommen konnte. Anders ist es, wenn einen von einer höheren Stelle ein Job nach dem Tod angeboten wird, das ist etwas anderes. Man erkennt den Unterschied zwischen Menschen oder Traumwächter sofort. Außerdem kann man jederzeit auch seinen Schutzengel um Rat fragen, der nicht alles weiß oder auch nicht alles preisgeben darf, weil es halt ein anderes System ist. Zurzeit machte ich ein Planspiel als Drogensüchtiger. Mal solo oder mal mit einer Familie. Als Solist kippte ich in diesen Träumen einfach aus den gesellschaftlichen Systemen. Bei der Familie sieht man, wie die Frau unter diesem Schicksal leidet oder man erkennt wie hilflos die Kinder diese Situation irgendwie meistern müssen. Man sitzt konzentriert bei einem Verhör, obwohl skurrile Sachen nebenbei ablaufen. Es kommt einen am Ende immer so vor, als wären diese speziellen Träume wirklich real. Man spielt diese Szenen mehrmals durch, so das man am Ende eine Läuterung erfährt, wie in diesen alten Hollywoodklassikern. All diese Erfahrungen sammle ich geduldig ein. Es ging auch um Reife oder Grenzerfahrungen, die man dort astral erleben darf. Negative Rollen wurden von den meisten Menschen nicht gerne gespielt, weil sie einen herunterzogen oder Depressionen auslösten. Deshalb machte ich diese Rollenspiele in der astralen Welt, weil wir diese Szenarios jederzeit beim nächsten Traum korrigieren konnte. Alles, was in der astralen Welt möglich war, wurde von mir jetzt ausprobiert. Je mehr Rollen man im astralen Universum durchspielte, umso leichter wurde das Leben auf der Erde und dies übertrug sich wiederum in die astrale Welt. Mehr Bewusstsein, mehr Möglichkeiten. Andere Planeten, andere virtuelle Spiele. Vielleicht ist der liebe Gott darüber sauer, weil ich diese Erfahrungen eigentlich in der Realität machen sollten. Im Grunde müssten wir wie Jesus werden, der alle Dimensionen beherrschte, denn er konnte zwischen materiellen Körper und Astralkörper hin und her wechsel, so das er übers Wasser laufen konnte. Noch wussten wir nicht, wie es geht. Mit meinen Astralkörper kann ich im Traum durch Wände gehen, aber noch keine Materie vom Traum in die Wirklichkeit übertragen. Noch nicht. Was ist die Materie wirklich. Ist die Materie wirklich nur die Reibung für die astralen Welten, das ist die Frage.

 

Heute benutze ich ein Mundstück, um durch Sauerstoffmangel in die astralen Welten zu gelangen. Seit einigen Monaten habe ich so ein Wesen aus der astralen Welt an der Backe. Es ist so ein plasmatisches Konstrukt, das aus dem Nichts auftauchen kann und sich auch wieder auflösen kann. Es begleitet mich zurzeit durch die Wälder. Es ist ein riesiges gruseliges Wolfsmonster, das sich als externer Waldhüter ausgibt. Mir war das schwarze Phänomen aus meiner Schlafparalyse noch bekannt, das symbolisch mein Schutzwächter war. Mein Opa sagte mir dieses Phänomen schon voraus und warnte mich vor der Obrigkeit aus der astralen Welt. Denk daran, wir sind nur ein Regentropfen im ewigen Meer. Noch war ich im neugierigen Bereich unterwegs und wollte mich mit diesem gruseligen Phänomen nicht anlegen. Mein eigenes Schutztier ist ein kleiner weißer Wolf, der sich vor Jahren in einer Schlafparalyse mit mir vereinigte. Meist knurrt er in meinen Kopf, wenn dieses Gruselmonster auftauchte. Man muss dazu sagen, dass mich dieses ominöse Wesen Tag und Nacht im Wald beschützte, sodass er mir mehr so vorkam, als wäre er ein externer Türsteher aus der astralen Welt, der mich beobachten sollte. Meist beschützte er mich vor wilden Bären oder Wölfen. Im Grunde ist es ein Energiewesen, das ich wohl mit meiner positiven Energie speiste, so das er sich jederzeit manifestieren konnte. Mit einen Energiestrahl durchlöchert es einen Bären, so das der Bär an seinen eigenen leckeren Bratenduft völlig verdutzt verreckt. Wildschwein Rotten ergriffen sofort die Flucht, wenn sie ihn nur in meiner Nähe vermuteten. Dieses Trug-Wesen ist eine Vision, das ich wahrscheinlich nur wahrnehmen konnte. Nur wie dieses Wesen diese Energieimpulse auslöste, das war mir noch ein Rätsel. Tagsüber pflegte ich den Wald und schaute, ob alles in Ordnung war. Sammelte Nahrung oder Kräuter ein, damit es mir gut ging. Je länger man körperlich lebt, umso größer wird später meine Weisheit in den astralen Welten. Wenn etwas im Wald nicht stimmte, dann gab ich dies mental an meine Freunde weiter. Neulich entdeckte ich im Wald eine kleine verwaiste Kapelle. Man war das ein Erlebnis. Als ich mich dort den Zugang verschaffte, da beobachtete ich etwas Mysteriöses. Drei Hexen infiltrierten durch die Wände ins Innere, als wären sie etwas Astrales. Diese eigenartigen Wesen aus der parallelen Welt verkörperten diese Negativität, die wir alle ins uns haben. Sie beteten das Kreuz an und verschwanden dann kichernd durch die Wände wieder. In den astralen Welten sprach ich mit meinen verstorbenen Opa auf Wolke 7 darüber. Der meinte zu mir. „Mein Jung, fang diese Teile mit einem Einmachglas ein und stell sie dir in die Vitrine.“ „Man man, du hast aber auch nicht mehr alle Geister im Schrank.“ Ja, mein Opa war schon eine Nummer, ob tot oder lebendig. Der hat sie wirklich nicht mehr alle. Andere meinten zu mir, wenn ich mal in den Dorfkrug ging, um mal andere Menschen zu sehen. Lass die Finger davon, denn in den astralen Welten treiben sich viele Möchtegern Wesen herum, die besonders scharf auf menschliche Körper sind. Sie klammern sich an den Seelen fest und gelangen so in den Körpern, aber leider können sie mit einem menschlichen Körper nicht umgehen, weil sie es nicht gewohnt sind. Hier endet vorerst der Bericht von der neuen Erde.

 

 

ENDE

 

 

 

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